Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
sie an ihm vorbei.
Bis wir auf dem mit Kies bedeckten Parkplatz vor dem Club standen, verlor keiner von uns ein Wort. Pia Petry musterte mich kritisch. »Was hat Renate Ihnen gesagt?«
»Gar nichts. Ich wollte Sie da rausholen.«
Sie schnaubte. »Sie sind ja verrückt. Wie kommen Sie dazu, sich so aufzuspielen?«
»Hören Sie, einer dieser Typen da drin hat vor ein paar Tagen Renate Averbeck schwer verletzt. Und Sie könnten die Nächste sein.«
Sie lachte. »Und dieser Typ soll Dracu sein?«
»Dracu oder irgendein anderer. Vielleicht vergisst er, Sie vom Andreaskreuz oder der Streckbank loszubinden, nachdem er mit Ihnen fertig ist. Sie sind doch neu in der Szene und können die Gefahren nicht einschätzen. Ein gefundenes Fressen für einen Sadisten, der keine Grenzen kennt.«
»Sind Sie von der Heilsarmee, haben Sie ein Helfersyndrom oder verwandeln Sie sich bei Vollmond in Supermann?«, pflaumte sie mich an. »Was, verdammt nochmal, ist Ihr Problem?«
»Ich will den Täter finden.«
»Och nee, und nebenbei retten Sie arme hilflose Frauen?«
»Nein. Das tue ich, weil ich Sie mag.«
Sie prustete los. »Sie mögen mich? Entschuldigung, ich finde, Sie haben eine interessante Art, das zu zeigen.«
»Mir fiel keine bessere ein.« Ich deutete zum Eingang. »Tut mir leid, wenn ich Sie überrumpelt habe. Es ist Ihre Entscheidung. Sie können gerne wieder da reingehen und sich von Dracu auspeitschen lassen.«
Sie trat näher, so nah, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten, und blickte mir direkt in die Augen. »Dabei würden Sie das doch viel lieber selbst tun. Hab ich Recht?«
Meine Antwort wartete sie nicht ab. Sie drehte sich um und stöckelte über den Kies zum Club zurück. Allerdings nur ein paar Meter. Dann knickte sie um.
»Aua!« Sie griff sich an den Knöchel. »Hey, Supermann!«, rief sie mir über die Schulter zu. »Wo steht eigentlich Ihr Auto?«
9
Pia Petry spielt ein böses Spiel
Am Himmel ballen sich schwarze Wolken und erste Regentropfen zerplatzen auf der Windschutzscheibe. Fröstelnd ziehe ich mir den Mantel über die nackten Schultern. Doch die Kälte, die ich spüre, kommt nicht von außen, sie kommt von innen. Mir dämmert, in was für eine Situation ich mich gerade hineinmanövriert habe. Ich bin zu jemandem in den Wagen gestiegen, von dem ich nichts weiß, außer dass er SM-Clubs aufsucht, gerne als Arzt verkleidet in Krankenhäusern herumläuft und auch schon mal in Hotelzimmer einbricht. Das ist nicht sonderlich Vertrauen erweckend. Was, wenn er der Täter ist, wenn ich gerade neben dem Mann sitze, der Renate so zugerichtet hat?
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragt er.
»Pia Petry.«
»Und Sie?«
»Wilsberg, Georg Wilsberg.« Mit zusammengekniffenen Augen starrt er auf die nasse Fahrbahn. »Sie kommen nicht aus Münster, oder?«
»Nein. Aus Hamburg.«
»Und woher kennen Sie Renate?«
»Haben Ihnen eigentlich meine BHs gefallen?«
»Was?« Ruckartig dreht er seinen Kopf in meine Richtung.
»Sie waren in meinem Hotelzimmer. Da haben Sie sich doch bestimmt ein bisschen umgesehen. Ich meine, wo Sie schon mal da waren.«
»Was ist denn so Besonderes an Ihren BHs?«
»Aha, Sie geben es also zu.«
»Gar nichts gebe ich zu. Wenn ich bei Ihnen eingebrochen wäre, wüsste ich wahrscheinlich, wovon Sie reden.«
»Sie wissen genau, wovon ich rede.«
»Also, bei aller Sympathie, ich habe keine Ahnung.«
»Woher wussten Sie, dass ich mit Jochen verabredet war?«
Er seufzt. »Eingebung?«
»Wo fahren Sie hin?«, blaffe ich ihn an, als mir plötzlich auffällt, dass wir nicht mehr auf der Straße sind, die der Taxifahrer auf dem Hinweg zum Club genommen hat.
»Das ist eine Abkürzung«, sagt er.
Mir schlägt das Herz bis zum Hals. Angestrengt blicke ich in die Dunkelheit. Was mache ich, wenn er jetzt in irgendeinen Waldweg abbiegt?
»Haben Sie Schiss?«, fragt er und klingt amüsiert.
»Vor Ihnen? Wirklich nicht.«
»Dann sind Sie aber ganz schön mutig. Nach der Geschichte mit Renate einfach zu einem wildfremden Mann ins Auto zu steigen.«
Jetzt reicht es mir. Hektisch krame ich in meiner Tasche. Als ich mein Reizgas endlich gefunden habe, behalte ich es demonstrativ in der Hand. So ganz hilflos bin ich nun auch nicht.
Wilsberg sieht das Gas und wird unruhig. »Stecken Sie das wieder ein. Das brauchen Sie nicht.«
»Haben Sie etwa Schiss?«, imitiere ich seinen Tonfall.
»Nein, aber mit Reizgas ist es wie mit Waffen. Sie gehen gern im falschen Moment
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