Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
mich so nackt. Und zu Pampers«, ich deutete zu dem Monitor, auf dem zu sehen war, wie der Hosennässer gerade eine Tracht Prügel bekam, »werden Sie mich nicht überreden können. Die habe ich zuletzt getragen, als ich zwei war.«
»Wir werden schon was Schickes finden«, grinste die Clubbesitzerin. »Es gibt nette kurze Lederhosen.«
»Sie können mich ja beraten«, schlug ich vor. »Aber ich muss es auf die Spesenrechnung setzen. Ich glaube nicht, dass ich das später nochmal anziehen werde.«
Manfred Heusken räusperte sich.
Clara zog ihre Hand, die auf meine Hüfte geglitten war, zurück und wurde ernst. »Bei uns ist eine Frau schwer verletzt worden. Sie liegt im Krankenhaus. Das ist kein Spiel mehr, Herr Wilsberg. So etwas dulden wir in unserem Club nicht.«
»Warum zeigen Sie oder das Opfer den Täter nicht einfach an?«
»Weil wir ihn nicht kennen.«
»Es war letzten Samstag«, fiel Manfred Heusken ein, »bei einer Dungeon-and-Dragon-Party. Dann kommen bis zu zweihundert Leute, zum Teil von weit her. Wir haben zwar eine Gästeliste, trotzdem kennt nicht jeder jeden. Und bei so vielen Menschen kann man leicht den Überblick verlieren.«
»Zeichnen Sie nicht alles auf?« Ich zeigte auf die Monitorwand.
»Doch«, sagte Heusken. »Aber es gibt noch Räume im Obergeschoss. Studios, die wir nur bei Partys und für spezielle Gäste öffnen. Dort sind keine Kameras angebracht. Sehen Sie«, er holte Luft, »unsere Besucher sind in der Regel gut situiert. Sie bekleiden oft herausragende Positionen. Es sind Richter, Staatsanwälte, Ärzte und Unternehmer darunter. Die Kameras dienen zwar der Sicherheit und wir löschen die Aufnahmen selbstverständlich nach vierundzwanzig Stunden. Trotzdem bestehen einige unserer Stammgäste darauf, dass ihre ...«, er zögerte, »... Spiele nicht aufgezeichnet werden.«
»Das Opfer gehört also zur besseren Gesellschaft?«
Clara und Manfred Heusken wechselten fragende Blicke.
»Womit soll ich anfangen, wenn ich nicht weiß, um wen es geht?«
»Renate Averbeck«, sagte Clara. »Ihr Mann, Jochen Averbeck, ist Geschäftsführer der Meyerink & Co. KG. Renate ist die Tochter des alten Meyerink.«
Der Name Meyerink war mir nicht unbekannt: alter münsterscher Geldadel. Zum Besitz der Familie gehörte eine Baumarktkette, außerdem tat sich Meyerink senior als Sponsor diverser Sportveranstaltungen hervor.
»Jetzt verstehen Sie sicher, warum die Angelegenheit mit äußerster Vorsicht zu behandeln ist«, sagte Manfred Heusken. »Sollte bekannt werden, dass Renate Averbeck einen SM-Club besucht, wäre das ein gefundenes Fressen für die Boulevardpresse.«
»Erzählen Sie mir einfach, was passiert ist«, bat ich.
»Wie gesagt, es geschah am letzten Samstag«, begann Clara. »Jochen und Renate hatten sich in ein Studio im Obergeschoss zurückgezogen. Jochen sagt, der Angreifer habe ihn von hinten niedergeschlagen. Er sei sofort bewusstlos gewesen.«
»Er hat ihn also nicht gesehen?«
»Richtig.«
»Woher weiß er, dass es ein Mann war?«
Clara zuckte die Achseln. »Er vermutet es.«
Ich nickte. »Und Renate Averbeck?«
»Renate war bereits gefesselt und trug eine Augenbinde.«
»Was hat der Typ mit ihr gemacht?«
»Er hat sie mit einer Rasierklinge bearbeitet. Sie hat Schnitte am ganzen Körper, zum Glück nicht im Gesicht.« Clara schüttelte den Kopf. »Wenn Jochen nicht rechtzeitig wieder aufgewacht wäre, hätte sie sterben können. Sie hat eine Menge Blut verloren. Wir haben sie sofort ins Krankenhaus gebracht. Natürlich wollte Jochen nicht, dass rauskommt, wo und wie es passiert ist. Er hat angegeben, dass er sie zu Hause gefunden hat und dass es sich um selbst beigebrachte Verletzungen handeln würde.«
»Und Renate Averbeck spielt da mit?«
Clara nickte.
»Es ist für beide das Vernünftigste«, assistierte Heusken.
»Jochen hat uns gedrängt, die Sache geheim zu halten«, redete Clara weiter. »Wir haben zugestimmt, allerdings unter der Bedingung, dass wir selbst Nachforschungen anstellen. Für uns steht einiges auf dem Spiel.«
Ich verstand, was sie meinte. »Es besteht die Gefahr, dass der Typ nochmal zuschlägt.«
»Das wäre eine Katastrophe. Wenn sich herumspricht, dass in unserem Club ein Realsadist sein Unwesen treibt, können wir den Laden dichtmachen.«
»Realsadist?« Ich ließ das Wort auf der Zunge zergehen. »Heißt das, die Sadisten da unten im Keller sind nicht real?«
Clara lächelte. »Sie haben wirklich wenig Ahnung von SM.
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