Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
liiert, ich kenne ihn seit ...«
Und dann fällt mein Blick auf den Knoten, den Götz zuletzt gemacht hat. Er sieht sehr auffällig aus, wie eine Kette, und ist sicher nicht einfach zu knüpfen. Ich weiß nicht, wie er heißt und wozu er dient. Aber ich weiß, dass ich ihn schon einmal gesehen habe. An dem Seil, das sich tief in den Hals der toten Verkäuferin eingeschnitten hatte.
32
Wilsberg verursacht einen Sprachfehler
Marie Niehues war nicht erfreut, mich zu sehen. Bevor ich einen Ton sagen konnte, wollte sie die Tür schon wieder zuschlagen. Gerade rechtzeitig brachte ich einen Fuß in den Türspalt.
»Verschwinden Sie!«, brüllte sie von innen.
Ich drückte von außen gegen die Tür. »Wo ist Ihr Bruder?«
»Hauen Sie ab! Oder ich rufe die Polizei.«
»Meinetwegen.« Ich quetschte mich ins Innere, darauf gefasst, dass sie mir die Augen auskratzen würde. »Wo hat er Pia Petry hingebracht?«
Sie schnaufte heftig, behielt ihre Krallen aber eingezogen. »Ich kenne keine Pia Petry.«
»Hören Sie auf mit den Spielchen, Frau Niehues. Ich rede von der Frau, die Ihr Bruder in der Villa Averbeck gekidnappt hat.«
»Was soll er getan haben?«, schrie sie. »Sie spinnen doch!«
Ich ging an ihr vorbei zur Wohnstube. »Dann sagen Sie mir, wo er ist. Ich frage ihn gerne selbst.«
Sie heftete sich an meine Fersen. »Ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen.«
Auf dem großen Holztisch standen Schüsseln mit Kartoffeln, Gemüse und Braten, außerdem zwei Teller und zwei Gläser.
»Und für wen haben Sie gedeckt?«
»Ich erwarte Besuch.«
»Frau Niehues«, ich versuchte, so freundlich zu klingen, wie es unter den gegebenen Umständen möglich war, »wollen Sie sich wirklich mitschuldig an einem Mord machen? Ich verstehe ja, dass Sie Ihren Bruder schützen. Aber ist er es wert, dass Sie zwanzig Jahre ins Gefängnis gehen?«
»Mein Bruder hat niemanden getötet.«
Ich hörte ein leises Geräusch. Vielleicht hatte Cornfeld irgendwo eine Scheibe eingeschlagen. Auch Marie Niehues musste es gehört haben, doch sie schaute auf meine Füße und dann schnell weg, als hätte ich sie bei etwas ertappt.
Ein Verdacht keimte in mir auf. Ich packte den Perserteppich, der den Holzboden bedeckte, und schlug ihn zurück. Treffer! In die breiten Planken war eine quadratische Falltür eingelassen.
Mithilfe eines Metallrings, der an einer Seite befestigt war, klappte ich die Tür hoch. Eine Holztreppe und ein paar Quadratmeter nackte Betonfläche waren zu erkennen. Alles andere lag im Dunkeln.
»Wie schaltet man das Licht ein?«, fragte ich.
Wegeners Schwester war erstarrt.
Ich brüllte: »Pia! Bist du da unten?«
Keine Antwort.
Ich kniete mich neben die Öffnung und steckte meinen Kopf in das Loch. Das hätte ich besser nicht getan, denn im selben Moment bohrten sich die Läufe einer Flinte in meine Brust.
»Bewegen Sie sich nicht! Sonst jage ich Ihnen eine Ladung Schrot in den Leib«, sagte eine Männerstimme.
Ich bewegte mich nicht.
Wegener trat aus dem Schatten neben der Treppe. Der Kellerraum war keine zwei Meter hoch und so konnte er mir bequem das Gewehr vor die Nase halten, während er den Fuß auf die erste Treppenstufe setzte. »Und jetzt stehen Sie auf, ganz langsam, sodass ich Sie immer im Visier habe.«
In Ermangelung einer echten Alternative tat ich, was er wollte.
Er kam die Treppe herauf, ich trat mit erhobenen Händen drei Schritte zurück. »Machen Sie keinen Unsinn, Wegener! Es ist vorbei.«
Er lachte nur. »Es ist vorbei, wenn ich es sage.«
»Die Polizei weiß über Sie Bescheid. Sie haben keine Chance.«
»Tatsächlich? Warum sind dann Sie hier und nicht die Polizei?«
Im hinteren Teil des Hauses polterte etwas, als ob eine Tür gegen die Wand knallen würde.
»Was war das?«, fragte Wegener seine Schwester.
»Vielleicht ist Karl zurückgekommen.«
»Der wollte doch nach Billerbeck.«
Ich rang mir ein selbstsicheres Grinsen ab. »Glauben Sie wirklich, ich würde ohne Rückendeckung hier auftauchen? Da draußen hockt ein komplettes Einsatzkommando der Polizei. Also seien Sie ein braver Junge und legen Sie das Gewehr auf den Tisch.«
»Unsinn«, fauchte Wegener. »Die Polizei ist nicht so blöd, jemanden wie Sie vorzuschicken. Marie, schau mal nach!«
»Volker ...«
»Marie, tu, was ich sage!«
Offenbar war er der Ältere der Geschwister.
Marie verschwand und Wegener wurde von Sekunde zu Sekunde nervöser. Das gefiel mir gar nicht. Aus einem Meter Entfernung konnte er
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