Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Ahnung«, sagt er und geht ins Bad. Ich stecke mein Reizgas wieder zurück und folge ihm.
Götz lässt seine Jacke auf den Boden fallen, zieht Schuhe und Socken aus, rubbelt sich mit einem großen Frotteehandtuch die Haare trocken. Ich stehe in der Tür und beobachte ihn. Sogar sein T-Shirt ist nass. So nass, dass seine Muskeln deutlich durch den weißen Stoff hindurch zu erkennen sind.
»Wolltest du weg?«, fragt er und mustert mich neugierig.
»Nein, nein«, sage ich und zupfe verlegen an meinem Trenchcoat herum. »Ich wollte nur ein bisschen an die frische Luft. Einen kleinen Spaziergang machen. Wie hast du es geschafft, so nass zu werden?«, versuche ich, ihn abzulenken.
»Mein Auto ist nicht angesprungen. Und finde mal bei dem Sauwetter jemanden, der dir Starthilfe gibt. Das hat ewig gedauert.«
Er zieht den Gürtel aus seiner Hose. »Ich würde mich jetzt gerne umziehen ...«
»Klar«, sage ich. »Aber weißt du, ich könnte jetzt eigentlich auch gehen. Du bist bestimmt müde und willst deine Ruhe haben ...«
Er sieht mich enttäuscht an »Ach komm«, sagt er, »du musst doch auch Hunger haben. Ich dachte, wir kochen etwas Leckeres, machen uns einen gemütlichen Abend und warten zusammen auf Dracu.«
»Weißt du ...«
»Du musst keine Angst haben. Ich bin ein echt netter Kerl«, sagt er, »und beißen tu ich auch nicht. Ehrenwort.«
Was sollte ich dazu sagen? Wie hätte ich seinen Überredungskünsten und seinem treuherzigen Dackelblick widerstehen können? Ich habe meinen Mantel ausgezogen und mich in die Küche getrollt. Und da stehen wir zwei jetzt und kochen. Ich rühre Schnittlauchquark an, Götz wendet die Rindersteaks in der Pfanne. Er gibt sich wirklich jede Mühe, nett zu sein, ist charmant und aufmerksam, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Mit ihm an meiner Seite fühle ich mich ein bisschen sicherer. Und sehe Dracus Ankunft mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Was nicht heißt, dass ich nicht die nächste Gelegenheit für einen Aufbruch nutzen werde.
Nach einer guten halben Stunde sitzen wir endlich am Tisch.
»Das sieht lecker aus«, lobe ich unsere Kochkünste.
Götz nickt. »Dracu kauft nur gesunde Sachen ein«, erklärt er. »Das Fleisch ist bestimmt vom Biometzger.« Dann zwinkert er mir zu. »Und der hat das Tier wahrscheinlich von Geburt an und mit Namen gekannt.«
»Normalerweise esse ich nichts, was einen Namen hat«, antworte ich, nippe an einem Glas Rotwein und betrachte das Fleisch, das in einer Pfütze aus Blut und Bratensaft vor mir auf dem Teller liegt. »Aber heute mache ich eine Ausnahme.«
Götz grinst. »Okay, dann mache ich auch eine.«
Das Steak ist fantastisch und absorbiert meine gesamte Aufmerksamkeit. Als mein Teller schon halb leer ist, fällt mir ein, dass ich ja auch noch einen Job zu erledigen habe.
»Wie lange wohnst du eigentlich schon hier?«, frage ich und tupfe mir den Mund mit der Serviette ab.
»Ein halbes Jahr. Ich bin auf der Suche nach einer eigenen Wohnung. Aber das ist gar nicht so einfach.«
Und wahrscheinlich ist es auch nicht so dringend, weil es hier ja viel bequemer ist, denke ich.
»Wie habt ihr euch denn kennen gelernt? Du und Dracu.«
»Im Club. Wir kommen beide aus Argentinien. Das verbindet. Und als mich meine Freundin rausgeschmissen hat, konnte ich hier unterkriechen.«
»Das ist natürlich praktisch«, sage ich. »Und wieso sprichst du so gut Deutsch?«
»Ich bin zweisprachig groß geworden.«
»Das wäre ich auch gerne«, antworte ich und deute auf die Weinflasche, die hinter Götz auf einer Anrichte steht. »Könntest du mir bitte noch etwas geben?«
Götz greift hinter sich, nimmt die Flasche und schenkt mir ein.
Ich lasse den Rotwein genüsslich in meinem Glas kreisen und rechne nach, dass ich nach drei Gläsern Portwein jetzt schon bei meinem zweiten Glas Rotwein angekommen bin. Ich sollte mich ein bisschen zurückhalten. Sonst fange ich an zu lallen, bevor das Dessert serviert wird.
»Das Fleisch ist so was von weich und saftig«, schwärmt Götz begeistert. »Dracu weiß schon, warum er so großen Wert auf gutes Essen legt.«
»Das glaube ich«, antworte ich. »Die Mahlzeiten im Knast werden nicht so toll gewesen sein.«
Götz zieht unmerklich die Augenbrauen hoch. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ganz einfach«, sage ich, »Dracu heißt im wahren Leben Raoul Meyer. Oder? Meyer wie Meyerink. Habe ich Recht?«
Einen Moment zögert er. »Ja, klar«, sagt er. »Das steht ja auch an der
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