Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Tür.«
»Richtig! Und wenn er Raoul Meyer ist, dann war er im Gefängnis.«
»Woher weißt du das?«
»Von einer Bekannten.«
»Von Renate?«
»Nein, jemand, den du nicht kennst.«
»Was hat dieser Jemand denn sonst noch so erzählt?«, fragt er.
»Dass Dracu mit zwei Kilo Koks geschnappt worden ist und die Familie ihn deshalb verstoßen hat. Wobei ich eins nicht verstehe: Wie kann man so blöd sein und mit zwei Kilo Rauschgift einreisen? Das musste doch schief gehen ...«
»Er war es nicht!«
»Er ist unschuldig?« Ich verziehe das Gesicht. »So wie alle Leute, die erwischt werden.«
Götz fährt sich mit der Hand durch sein nasses Haar und greift nach seinem Glas. »Er hatte wirklich nichts damit zu tun. Das Rauschgift hat ihm jemand untergeschoben.«
»Und wer soll das gewesen sein?«
»Jochen!«
»Ah ja«, sage ich wenig überzeugt.
»Nicht persönlich natürlich. Die Drecksarbeit lässt er ja immer andere machen.«
»Und aus welchem Grund soll er das getan haben?«
»Eifersucht«, erklärt Götz. »Der alte Meyerink mochte Raoul und hat ihm einen Job in seiner Firma in Münster angeboten. Und da hat Jochen Schiss gekriegt, hat Angst gehabt, Raoul könne ihm seine Stellung streitig machen.«
»Und das hat dir alles Dracu erzählt?«
»Klar. Schließlich sind wir befreundet.«
Er steht auf, sammelt die schmutzigen Teller ein und verschwindet damit in der Küche.
»Was hältst du von einem Nachtisch?«, ruft er.
»Was gibt es denn?«, frage ich und folge ihm.
Götz steht vor dem offenen Kühlschrank. »Tiramisu könnte ich anbieten.«
»Einverstanden!«
Gegen die Arbeitsplatte gelehnt, beobachte ich, wie er eine Glasschale mit Tiramisu auf den Tisch stellt und die Süßspeise mit einem großen Messer portioniert.
Er wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn und schmiert sich dabei etwas von der süßen Creme in die Haare.
»Vorsicht«, sage ich und halte seine Hand fest, »du hast dich bekleckert.«
Vor allem das geflochtene Lederarmband, das er am rechten Handgelenk trägt, ist völlig verklebt. Er geht zum Waschbecken, wäscht sich die Hände und lässt Wasser über das Armband laufen.
»Ich bin nicht gerade der geborene Koch«, sagt er entschuldigend.
»Für einen Mann machst du das schon ganz gut«, antworte ich und sehe mich suchend um. »Wir brauchen Dessertteller«, verkünde ich und fange an, wahllos Küchenschränke aufzureißen.
»Weißt du, dass Jochen Dracu für alles verantwortlich macht?«, frage ich, während ich zwei kleine Glasschüsselchen aus dem Schrank nehme. »Dass er behauptet, Dracu sei daran schuld, dass Renate ausgezogen ist und er seinen Job verloren hat?«
»Jochen gibt immer anderen die Schuld. Der hat noch nie in seinem Leben für irgendetwas die Verantwortung übernommen.«
»Aber wer hat Renate verletzt, wer hat die Verkäuferin umgebracht? Wie hängt das alles zusammen?«
»Das war Jochen!«, sagt Götz in einem Ton, als könne er nicht fassen, dass ich das immer noch nicht begriffen habe. »Er wollte Renate eine Lektion erteilen, klarstellen, was sie zu erwarten hat, sollte sie sich je von ihm trennen wollen. Und Tanja wollte er daran hindern, ihre SM-Affäre öffentlich zu machen.«
»Etwas wundert mich: Wenn Jochen daran schuld ist, dass Dracu unschuldig im Knast war, dass Renate schwer verletzt und eine junge Frau getötet wurde, warum unternimmt Dracu dann nichts? Ich meine, wenn mir jemand Rauschgift untergejubelt und ich deswegen jahrelang unschuldig im Knast gesessen hätte, ich würde ja sonst was tun, um den Kerl fertig zu machen.«
Götz steht mit verschränkten Armen vor mir und mustert mich lächelnd. »Jochen gräbt sich sein eigenes Grab, da muss sich niemand die Finger schmutzig machen. Dracu schon gar nicht.«
»Das ist ja eine sehr pazifistische Einstellung«, sage ich.
»Du meinst, eine zu pazifistische für einen Sadisten?«, fragt er, während er zwei Portionen Tiramisu auf die Glasschüsselchen verteilt.
Ich nicke.
»Das siehst du falsch. Sadisten reagieren sich an Masochistinnen ab. Im normalen Leben sind das die friedlichsten und nettesten Menschen, die man sich vorstellen kann. Das siehst du ja an mir.«
Irgendwo in der Wohnung klingelt ein Telefon. Götz entschuldigt sich und verlässt die Küche.
Ich warte. Dann schleiche ich hinter ihm her. Seine Stimme kommt aus dem Arbeitszimmer. Als ich mich auf Zehenspitzen der Tür nähere, wird sie von innen zugeschlagen. Offensichtlich möchte er bei diesem Telefonat
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