Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
Jahr ihre Assistentin war, denken. Kurz nach Fynns Tod war sie die Einzige gewesen, bei der es ihr möglich war, über ihren Schmerz zu sprechen. Doch seitdem waren drei Monate vergangen, sie war während dieser Zeit nicht im Präsidium gewesen, somit hatte sie Johanna auch drei Monate nicht mehr gesehen. Sie schüttelte den Kopf. Ihr fiel niemand ein, ihre Mutter und ihre Schwester waren selbst zu sehr mit Trauer erfüllt, um ihr eine Stütze sein zu können. Paula vermied momentan den Kontakt mit den beiden. Max versuchte ihr zwar zu helfen, aber Paula konnte seine Unterstützung nicht annehmen. Trotzdem freute sie sich darauf, sich ab Montag wieder mit Max das Zimmer zu teilen und sich gemeinsam in die Arbeit stürzen zu können. „Ich muss damit wohl vorrangig alleine klar kommen. Aber die Gespräche mit Ihnen helfen mir sehr weiter. Vielen Dank“, erklärte sie der Therapeutin mit einem erneuten Blick zur Uhr.
„Und wie fühlen Sie sich bei dem Gedanken, ab Montag wieder eine Waffe tragen zu dürfen und diese im Ernstfall auch einsetzen zu müssen?“, lenkte die Therapeutin das Gespräch in eine andere Richtung.
Paula versuchte sich das Gefühl vorzustellen, ihre Waffe in den Händen zu halten, zu zielen, abzudrücken. Unweigerlich wanderten ihre Gedanken zu jener Nacht zurück. Fast hätte der SELBST-Mörder sein Werk vollendet und nicht nur sie selbst, sondern auch Liliane wären getötet worden. Doch in letzter Sekunde war es ihr gelungen, ihre Gedanken zu ordnen und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Es war eine Entscheidung von Sekunden, entweder er oder ich. Paula war eine Sekunde schneller gewesen und hatte geschossen. Der Mann war sofort tot gewesen. Direkt darauf war Max an ihrer Seite aufgetaucht, woher er plötzlich kam, wusste sie bis heute nicht. An weitere Details konnte sie sich nicht mehr erinnern. Das nächste, was sie wusste war, dass sie im Krankenhaus aufgewacht war. Sie hatte fast das Gefühl, die Waffe jetzt wieder in den Händen zu halten, schwer und kühl. Sie schaute der Frau gegenüber entschlossen in die Augen: „Ja, ich bin bereit dazu. Ich bin mir ganz sicher.“
Sie nickte Paula zu. „Das wollte ich hören, Frau Franz.“ Beiläufig schaute sie auf ihre Armbanduhr. „Die Stunde ist auch schon wieder um, Frau Franz. Wie gesagt, wir werden ab nächster Woche dann den Rhythmus auf zwei Wochen herabsetzen. Es geht Ihnen ja inzwischen besser, Sie sind stabil und können wieder arbeiten. Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich glaube auch, dass Ihnen die Arbeit bei der weiteren Genesung helfen wird. Falls Sie vorher das Bedürfnis haben zu reden, melden Sie sich gerne bei mir. Dann vereinbaren wir kurzfristig einen Termin.“ Sie lächelte Paula aufmunternd zu und erhob sich. Paula stand ebenfalls auf und reichte der Frau zum Abschied ihre Hand.
Kapitel 2
Sie saß auf ihrem Bett und surfte im Internet. Ihr Handy vibrierte. Die SMS war von ihm: „Bin jetzt unterwegs“ lautete die Nachricht. Sie grinste. „Gut“, sagte sie laut in den leeren Raum hinein. Sie loggte sich bei Facebook ein, besuchte ihre Seite. „Du Schlampe, du wirst noch dafür büßen“ tippte sie auf ihre Pinnwand. Kurz bevor sie den „Teilen“ Button drückte, löschte sie die Worte wieder. Nein, das wäre nicht klug. Du bekommst schon so deine gerechte Strafe. Sie lächelte in sich hinein. Warte ab, nicht mehr lange und du bist Geschichte, du Miststück. Sie knallte den Laptop Deckel zu und starrte auf die Uhr. Noch drei Stunden. Sie würde warten müssen. Nur Geduld, mahnte sie sich zur Ruhe. Um die Zeit totzuschlagen, schaltete sie den Fernseher ein.
Kapitel 3
Paula war Sonntagabend früh schlafen gegangen. Sie hatte mit Anne noch den Tatort im Fernsehen geguckt. Stumm hatten sie dabei nebeneinander auf der Couch gesessen. Irgendwann hatte Anne sie angeschaut und gesagt: „So geht es nicht mehr. Ich kann viel ertragen. Du hast einen großen Verlust erlitten und eine schlimme Zeit liegt hinter dir. Aber das rechtfertigt nicht dein Verhalten mir gegenüber. Ich bin für dich da, ich möchte dir helfen, aber dazu musst du mich in dein Leben lassen, mit mir reden. Du behandelst mich wie Luft. So funktioniert das nicht, Paula. Ich hoffe, dass dir die Arbeit gut tut, ebenso die Therapie. Ich bemerke ehrlich gesagt keine große Verbesserung.“
Paula versuchte etwas zu erwidern, irgendetwas. Sie wollte Anne sagen, was sie fühlte, was ihr durch den Kopf ging, was sie bewegte. Aber kein einziges Wort kam ihr
Weitere Kostenlose Bücher