Blutmord (Ein Paula Franz und Max Dörner Krimi)
spät“, rief sie. Andrea folgte ihr widerstrebend. „Ich weiß nicht, sollen wir nicht lieber laufen oder auf den Bus warten?“, fragte Andrea nun unsicher und machte sich von ihr los.
„Nein, das dauert zu lange. Ich mache das immer so. Vertraue mir“, beharrte sie. Erneut schaute sie auf die Uhr. In diesem Moment sah sie langsam ein Auto die Straße entlang kommen. Als es näher kam, erkannte sie den Ford Focus. Sofort streckte sie den Daumen raus, woraufhin das Auto anhielt. Andrea hielt sich etwas zurück und blieb unschlüssig im Hintergrund stehen. Misstrauisch musterte sie aus der Ferne die drei Jungs in dem Auto.
„Wir müssen in die Stadt, nehmt ihr uns mit?“, fragte sie laut und winkte Andrea heran. Diese bewegte sich keinen Millimeter. Sie hatte plötzlich ein ungutes Gefühl.
„Los komm schon“, forderte sie Andrea nun auf und zog sie einfach mit sich ins Auto auf den Rücksitz.
Eine halbe Stunde später tauchte sie auf der Party von Denny auf. Allein. Sie malte sich aus, welchen Spaß die drei Jungs nun mit der schönen Andrea haben würden. Ob Andrea ihr gewagtes Outfit schon bereute? Sie war sich ziemlich sicher, dass Andrea in Zukunft etwas zurückhaltender sein würde. Sie hatte die drei Jungs aber auch ganz schön provoziert. Und wer weiß, ob Andreas makellose Haut nach dieser Nacht immer noch so perfekt war. Schönheit war vergänglich. Sie grinste. Arme Andrea. Was du alles erleiden musst in dieser Nacht der Nächte. Sie schaute sich einmal schnell in dem Raum um, der jetzt schon voller Menschen war. Niemand hatte sie kommen sehen. Sie griff sich eine Flasche Bier und gesellte sich zu einer kleinen Gruppe von Leuten, die sie weitläufig kannte. In Gedanken sprach sie einen Toast: „Auf Andrea!“
Zwei Jahre später
Außer Atem blieb sie stehen. Sie atmete heftig, ihr Herz raste. Solche Anstrengungen war sie nicht gewohnt. Sie ließ die anderen vier Mädchen etwas vorgehen, nur Jana ließ sie nicht aus den Augen, ihr blieb sie dicht auf den Fersen. Im Gänsemarsch marschierten sie den schmalen, schlammigen Weg entlang. Noch ein Stückchen höher und sie würden Schnee vorfinden. Die Luft war hier oben dünner. Das Atmen war schwierig, vor allem bei der körperlichen Anstrengung. Der schwere Rucksack machte die ganze Sache auch nicht gerade angenehmer. Sie atmete noch einmal kräftig aus. Zumindest die Aussicht war lohnenswert. Schon allein dafür hatte sich der Aufstieg gelohnt. Der Tag und die Gelegenheit waren perfekt. Zumindest für sie. Es war etwas nebelig und feucht. Sie hatte den Aufstieg bereits im letzten Jahr gemacht und ihren Freundinnen vorgeschlagen, als Ausflug diese Tour einmal gemeinsam zu machen. Alle waren begeistert und sie hatten sich gemeinsam an die Planung gemacht.
Nun starrte sie auf Janas Schuhe, die einige Meter vor ihr lief. Jana war gut vorbereitet, stellte sie fest. Sie trug festes Schuhwerk. Daran hatten sie alle gedacht. Wie ein Roboter verfolgte sie nun mit ihren Augen die gleichmäßigen Schritte, die vor ihr liefen: links, rechts, links, rechts, links, rechts. Sie hob den Blick und sah in die Ferne. Von weitem sah sie die enge Kurve, die sie entlang laufen mussten. An genau diese Kurve konnte sie sich noch genau erinnern.
„Das ist nichts für schwache Gemüter“, rief die erste der Truppe von ganz vorne nach hinten und lachte. „Passt auf, wo ihr hintretet und schaut bloß nicht nach links, das geht hier ganz steil bergab. Wer unter Höhenangst leidet, der sollte jetzt besser umdrehen.“ Alle fielen in das nervöse Gelächter mit ein und die allgemeine Anspannung löste sich ein wenig. Sie konnte spüren, wie jeder aus der Gruppe konzentriert nach unten auf den Weg schaute, um auf gar keinen Fall auszurutschen oder falsch aufzutreten. Sie schloss nun ein wenig zu ihrer Vorläuferin auf. Sie kam ihr genau so nahe, dass sie ihren Rücken berühren konnte, wenn sie ihren Arm ganz ausstrecken würde. Noch ein ganz kleines bisschen, dachte sie sich. Vor ihrem inneren Auge sah sie Janas einfältiges Gesicht. Ihre Augen, wie sie strahlten, wenn er den Raum betrat. Wie sie ihn anhimmelte, ihn vergötterte. Sie existierte in diesen Augenblicken gar nicht mehr. Er war alles, was zählte. Dabei gehörte er zu ihr, zu ihr allein. Sie wollte mit ihm ihr Leben teilen. Natürlich schmeichelte ihm ihr aufdringliches Verhalten. Welchem Mann gefiel das nicht, wenn sich eine Frau ihm so offensichtlich an den Hals warf? Auch wenn er Janas Verhalten immer mit
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