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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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aus Granit, dessen Kanten mit goldenen Stäben
geschmückt waren, bildete sich zwischen ihnen. Eine Weile
kollerte er hierhin und dorthin, dann wandte er sich an Vergils
blasse, geisterhafte Gestalt. Bernard verstand nichts von der
Kommunikation. Der Dodekaeder verschwand.
    »Wir alle nehmen hier charakteristische Formen an, und die
meisten von uns fügen Strukturen und Einzelheiten hinzu.
Noozyten haben keinen Namen, Mr. Bernard. Sie haben Sequenzen
identifizierender Aminosäuren, die von Codonen aus den Intronen
ribosomer RNS ausgewählt werden. Hört sich kompliziert an,
ist tatsächlich aber viel einfacher als ein Fingerabdruck. In
der Noosphäre müssen alle aktiven Forscher deutlich
identifizierende Symbole haben.«
    Bernard versuchte, Spuren des Vergil Ulam zu finden, dem er
begegnet und mit dem er einen Händedruck ausgetauscht hatte.
Viele schien es nicht zu geben. Selbst der Stimme fehlte der Akzent
und die leichte Atemlosigkeit, an die er sich erinnerte. »Es
gibt hier nicht sehr viel von Ihnen, nicht wahr?«
    Vergils Gespenst schüttelte den Kopf. »Nicht alles von
mir war auf die Noozytenebene übersetzt, bevor meine Zellen Sie
infizierten. Ich hoffe, es gibt irgendwo eine bessere Aufzeichnung.
Diese ist kaum hinreichend. Ich bin nur zu etwa einem Drittel hier.
Was hier ist, wird jedoch geliebt und beschützt. Die Gestalt des
geehrten Urahnen, vage Erinnerung an den Schöpfer.« Seine
Stimme litt unter Schwunderscheinungen, blieb ganz aus oder kam
verzerrt. Das Abbild schien fast unbeweglich zu sein. »Die
Hoffnung ist, daß sie mit Noozyten daheim Verbindung aufnehmen
und mehr von mir finden werden. Nicht bloß Bruchstücke
einer zerschlagenen Vase.«
    Das Bild wurde noch durchsichtiger. »Muß jetzt gehen.
Ergänzungen kommen. Ein Teil von mir ist immer hier anzutreffen;
Sie und ich, wir sind die Modelle. Ich vermute, Sie haben jetzt den
Vorrang. Bis später.«
    Bernard stand allein in der Noosphäre, inmitten von Optionen,
von denen er kaum Gebrauch zu machen wußte. Er streckte die
Hand zur umgebenden Information aus. Sie flimmerte ringsumher,
Lichtwellen, die sich vom Nadir zum Zenit ausbreiteten. Reihen von
Information wechselten die Prioritäten, und seine Erinnerungen
waren wie Kartenhäuser um ihn aufgestapelt, jedes dargestellt
durch eine Lichtlinie.
    Die Linien vereinigten sich in einer Lichtkaskade.
    Er hatte gedacht.
     
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    »Für dich bloß ein Tag wie jeder andere,
nicht?« sagte Nadia, wandte sich um und trat anmutig auf die
Rolltreppe des Gerichtsgebäudes.
    »Nicht der angenehmste«, sagte er. Sie wurden
abwärts getragen.
    »Ja doch, ein Tag wie jeder andere.« Sie duftete nach
Teerosen und etwas anderem, das er mit Reinlichkeit gleichsetzte. Sie
war in seinen Augen immer schön gewesen, und unzweifelhaft auch
in den Augen anderer: zierlich, schlank, schwarzhaarig, zog sie nicht
sofort die Blicke auf sich, aber ein paar Minuten allein in einem
Raum mit ihr beseitigten jeden Zweifel: die meisten Männer
würden mit Freuden viele Stunden, Tage, Monate mit ihr
verbringen.
    Aber nicht Jahre. Nadia war rasch gelangweilt, selbst Michael
Bernard machte da keine Ausnahme.
    »Also zurück zum Geschäft«, sagte sie und auf
halbem Weg nach unten. »Mehr Interviews.«
    Er antwortete nicht. Wenn Nadia sich langweilte, wurde sie
bissig.
    »Nun, du bist mich los«, sagte sie, als sie unten
anlangten. »Und ich dich.«
    »Ich werde dich nie los sein«, entgegnete Bernard.
»Du stelltest für mich immer etwas Wichtiges dar.« Sie
machte auf den hohen Absätzen kehrt und zeigte ihm die
Rückseite eines makellos geschneiderten blauen Kostüms. Er
faßte sie nicht zu sanft beim Arm und zog sie wieder herum.
»Du warst meine letzte Chance, normal zu sein. Ich werde niemals
eine andere Frau lieben, wie ich dich liebte. Du branntest. Ich werde
Frauen mögen, aber ich werde mich ihnen niemals
überantworten; ich werde niemals naiv mit ihnen sein.«
    »Du plapperst dummes Zeug, Michael«, sagte Nadia, und
ihre Lippen spannten sich ungeduldig bei der Erwähnung seines
Namens. »Laß mich gehen!«
    »Nichts da«, sagte er. »Du hast anderthalb
Millionen Dollar. Gib mir etwas dafür!«
    »Verzieh dich!« sagte sie.
    »Du magst keine Szenen, nicht wahr?«
    »Laß mich los!«
    »Die kühle, würdevolle Dame. Aber ich kann jetzt
etwas nehmen, als eine Art Gegenleistung.«
    »Du Dreckskerl!«
    Er zitterte und gab ihr eine Ohrfeige. »Für meine letzte
Naivität. Für drei Jahre, von

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