Blutmusik
verließ
den Konferenzraum und ging den äußeren Korridor entlang
zur Treppe. Im Eingang zum Westflügel war ein
Münzfernsprecher. Bernard zog seine Kreditkarte aus der
Brieftasche, steckte sie in den Schlitz und wählte die Nummer
seines Büros in Los Angeles.
»Bernard hier«, sagte er. »Ich werde in Kürze
zum Flughafen San Diego fahren. Ist George erreichbar?« Mehrere
Anrufe wurden gemacht, dann kam George Dilman, sein Flugmechaniker
und Gelegenheitspilot, an die Leitung. »George, es tut mir leid,
daß ich so kurzfristig disponieren muß, aber es handelt
sich um eine Art Notfall. Die Maschine sollte in anderthalb Stunden
voll aufgetankt bereitstehen.«
»Wohin diesmal?« fragte Dilman, der lange Flüge
ohne Vorankündigung gewohnt war.
»Europa. In ungefähr einer halben Stunde werde ich
genaueres durchgeben, damit Sie einen Flugplan machen
können.«
»In Ordnung, Doktor.«
»Anderthalb Stunden, George.«
»Wir werden bereit sein.«
»Ich fliege allein.«
»Doktor, ich würde lieber…«
»Allein, George.«
George seufzte. »In Ordnung.«
Er behielt den Hörer in der Hand und drückte eine
siebenundzwanzigstellige Zahl, beginnend mit seinem
Satellitenschlüssel und endend mit einer Zerhacker-Kennzahl.
Eine Frau meldete sich auf deutsch.
»Dr. Heinz Paulsen-Fuchs, bitte.«
Sie stellte keine Fragen. Wer auf dieser Leitung durchkam, war
wichtig genug, daß der Doktor mit ihm sprach. Einige Sekunden
später meldete sich Paulsen-Fuchs. Bernard blickte unbehaglich
in die Runde, um zu sehen, ob er beobachtet wurde.
»Heinz, hier ist Michael Bernard. Ich muß Sie um einen
ziemlich extremen Gefallen bitten.«
»Herr Dr. Bernard, immer willkommen, immer willkommen! Was
kann ich für Sie tun?«
»Haben Sie auf Ihrem Werksgelände in Wiesbaden ein Labor
mit Totalisolation, das Sie innerhalb eines Tages freimachen
können?«
»Zu welchem Zweck? Entschuldigen Sie, Michael, ist es kein
günstiger Zeitpunkt, danach zu fragen?«
»Nein, ich fürchte nicht.«
»Wenn es ein ernster Notfall ist, nun ja, ich denke, es
läßt sich machen.«
»Gut. Ich werde dieses Labor benötigen, und ich werde
Ihren firmeneigenen Landeplatz benutzen müssen. Sobald ich meine
Maschine verlasse, muß ich sofort in einen Isolationsanzug und
in einen versiegelten Transportwagen für biologische Stoffe
gesteckt werden. Dann wird meine Maschine auf der Rollbahn
angezündet und der gesamte Umkreis mit desinfizierendem Schaum
besprüht werden müssen. Ich werde Ihr Gast sein, wenn Sie
es so nennen können, und zwar auf vorerst unbestimmte Zeit. Das
Labor sollte so eingerichtet sein, daß ich dort leben und meine
Arbeit tun kann. Dazu werde ich einen Datenanschluß mit allen
Möglichkeiten benötigen.«
»Sie sind mir nicht als ein Trunkenbold bekannt, Michael. Und
Sie sind niemals labil gewesen, nicht in der Zeit, die wir zusammen
verbracht haben. Das hört sich sehr ernst an. Sprechen wir
über eine Infektion, Michael? Ein Behälterleck,
vielleicht?«
Bernard fragte sich, wie Paulsen-Fuchs erfahren haben konnte,
daß er mit Gentechnik befaßt war. Oder vermutete er es
nur? »Es handelt sich um einen extremen Notfall, Heinz.
Können Sie mir helfen?«
»Wird alles erklärt werden?«
»Ja. Und es wird Ihnen und Ihrem Land zum Vorteil gereichen,
frühzeitig informiert zu sein.«
»Das hört sich nicht nach einer Trivialität an,
Michael.«
Bernard unterdrückte eine irrationale Aufwallung von
Ungeduld. »Verglichen damit, ist alles andere trivial,
Heinz.«
»Dann wird es geschehen. Wir können Sie wann
erwarten?«
»Innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden, Danke,
Heinz.«
Er hängt ein und blickte auf die Armbanduhr. Er bezweifelte,
daß bei Genetron jemand die Größenordnung des
Geschehens begriff. Selbst ihm fiel es schwer, sich eine zutreffende
Vorstellung zu machen. Aber eins war klar: Sobald Harrison die
Gesundheitsbehörden informierte, würde der
nordamerikanische Kontinent innerhalb achtundvierzig Stunden unter
Quarantäne gestellt – ob man in Regierungskreisen glaubte,
was gesagt wurde, oder nicht. Die Schlüsselworte würden
»Seuche« und »gentechnische Manipulation« sein.
Alle in diesem Zusammenhang ergriffenen Maßnahmen würden
vollkommen gerechtfertigt sein, doch bezweifelte er, daß sie
ausreichend sein würden. Dann wäre mit dem Einsatz
drastischerer Mittel zu rechnen.
Er wollte nicht im Lande sein, wenn es geschah, andererseits
wollte er nicht für die Weiterverbreitung der
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