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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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kurvenreiche Figur und das offene Gesicht einer Fremdenführerin.
    Ich war auf dem Highway 10 nach Boyle Heights gegondelt, aber die Interstate 5 war von einem Sattelschlepper, der sich quergestellt hatte, blockiert worden, und der Rückstau hatte die Fahrt zum Büro des Gerichtsmediziners zu einer einstündigen Tortur werden lassen. In dieser Zeit hatte Milo gedöst und ich über Frauen nachgedacht. Petra kam uns in der Eingangshalle entgegen.
    »Ich hab uns schon angemeldet«, sagte sie. »Gehen wir.«
    Rhonda Reese zog das Laken zurück und faltete es ordentlich am Fuß des Tisches. Der Leichnam war groß, knochig und weiblich, wachsartiges Fleisch mit jener einzigartigen graugrünen Färbung. Augen und Mund geschlossen.
    Friedlicher Gesichtsausdruck, keine offensichtlichen Anzeichen von Gewalt. Vereinzelte Pickel und fibröse Knoten füllten ein flaches Stück Brustkorb zwischen kleinen, schlaffen Brüsten. Eingedrückte, gewellte Brustwarzen, scharf hervortretende Hüftknochen, ein breites Becken und magere Beine, die mit gekräuseltem rotbraunem Flaum bedeckt waren. Die Fußknöchel waren mit roter Haut verkrustet, die wie der Panzer eines Alligators aussah.
    Straßenknöchel.
    Die Fußsohlen der Frau waren so schwarz wie die schmutzigen, eingerissenen Fuß- und Fingernägel. Pilz wuchs zwischen den Zehen. Ein ungebärdiges rostrotes Büschel Schambehaarung war mit Schuppen übersät.
    Oben waren ebenfalls rote Haare, nur viel heller. Lang, schmutzig und verfilzt umrahmten sie ein verquollenes Gesicht, das vielleicht einmal hübsch gewesen war.
    Keine Einstichnarben.
    »Irgendwelche Vermutungen?«, fragte Milo.
    »Ich kann nicht für Dr. Silver sprechen«, sagte Rhonda Reese, »aber wenn Sie ihr die Lider hochziehen, sehen Sie punktförmige Blutungen.«
    »Strangulation.« Er trat näher an die Leiche heran, überprüfte die Augen, blinzelte. »Der Hals ist auch ein bisschen rosa, aber es gibt keine Ligaturnarbe.« Er warf Petra einen Blick zu, und sie nickte. Nicht wie bei den anderen.
    Ich sagte: »Sanfte Strangulation?«
    Petra starrte mich an. Milo zuckte mit den Achseln. Der Begriff war widerwärtiger, aber fest etablierter Jargon für einen mörderischen Trick, bei dem man ein breites, weiches Band benutzte, um die äußeren Merkmale einer Strangulierung abzuschwächen. Einige Leute würgen sich selbst auf diese Weise, um ihr sexuelles Vergnügen zu erhöhen, und sterben bei dieser Gelegenheit.
    Milo und ich hatten vor ein paar Jahren den Fall einer sanften Strangulation bearbeitet. Kein Unfall, ein Kind …
    »Wann ist die Autopsie, Rhonda?«, fragte er.
    »Da müssen Sie Dr. Silver fragen. Wir sind ziemlich ausgebucht.«
    »Dave Silver?«, fragte Petra.
    Reese nickte.
    »Ich kenne ihn«, sagte Petra. »Ein guter Mann. Ich rede mit ihm.«
    Milo betrachtete erneut die Leiche. »Wann ist es passiert?«, fragte er Petra.
    »Gestern in den frühen Morgenstunden. Zwei unserer Streifenpolizisten haben sie neben dem Boulevard auf der Südseite der Straße gefunden. Eine Gasse hinter einer Kirche, die mal ein Theater war.«
    »Diese salvadorianische Pfingstkirche?«, fragte Milo. »Am östlichen Ende?«
    »Genau die. Sie war sitzend gegen die Wand gelehnt worden, und als die Müllabfuhr kam, blockierte sie den Weg für den Laster, so dass der nicht nahe genug an den Container ranfahren konnte. Die Leute dachten zunächst, sie würde schlafen, und versuchten sie zu wecken.« An Reese gewandt: »Erzählen Sie ihnen von den Klamotten.«
    »Wir haben Schichten abgetragen«, sagte Reese. »Jede Menge Schichten. Alter Plunder, wirklich schmutzig.« Sie rümpfte die Nase. »Dieser Ausschlag auf ihren Beinen, Sie wissen, was das ist, oder? Durchblutungsstörungen. Alles mögliche Zeug ist in Mengen auf und in ihr gewachsen – an ihren Füßen, an der Nase, in ihrer Kehle. Zusätzlich zu dem Körpergeruch konnte man den Alkohol riechen, der ganze Raum stank danach. Ihre Blutwerte werden erst später reinkommen, aber ich gehe jede Wette ein, dass sie mindestens drei Promille hatte.«
    Der Vortrag war nicht ohne Mitgefühl, aber die Tatsachen verloren nichts von ihrer Brutalität.
    Milos Miene blieb ausdruckslos, während er die Leiche erneut inspizierte. »Keine Narben, soweit ich sehe.«
    »Es gibt keine«, sagte Reese. »Scheint so, als wäre der Alkohol ihre Hauptdroge gewesen, aber wir werden sehen, was die toxikologische Untersuchung ergibt.«
    »Haben Sie eine Liste der Kleidungsartikel gemacht?«
    »Natürlich«,

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