Blutnacht
antwortete ich.
Sie packte mich und küsste mich fester. Diesmal erlaubte ich ihrer Zunge, in meinen Mund vorzudringen. Mein Schwanz fühlte sich wie ein Eisenbolzen an. Meine Gefühle hinkten in weitem Abstand hinterher.
Sie wusste es. Berührte meine Wange mit der flachen Hand, und einen Moment lang dachte ich, sie würde mich ohrfeigen. Stattdessen zog sie sie zurück.
»Im tiefsten Innern«, sagte sie, »warst du immer ein guter Junge.«
»Warum hört sich das nicht wie ein Kompliment an?«
»Weil ich Angst habe und allein bin und keine Verwendung für Grenzen habe.«
Sie behielt die Arme an ihrer Seite. Ihr Blick war kühl und verletzt zugleich, eine seltsame Mischung.
»Tim sagt, er liebt mich«, sagte sie. »Wenn er nur wüsste – Alex, ich benehme mich schlecht. Bitte, glaub mir: Als ich dich angerufen habe, wollte ich nur getröstet werden. Und dir von Babys Gitarren erzählen. Herrgott, ich glaube, das macht mir am meisten zu schaffen bei dem Einbruch. Ich wollte wirklich, dass du sie hast. Ich wollte etwas für dich tun.« Sie lachte. »Und das Komische daran ist, ich weiß wirklich nicht, warum.«
»Was wir hatten«, sagte ich, »wird sich nicht einfach in Luft auflösen.«
»Denkst du manchmal an mich?«
»Natürlich.«
»Weiß sie das?«
»Allison ist klug.«
»Ich versuche mit aller Kraft, nicht an dich zu denken«, sagte sie. »Meistens habe ich Erfolg. Ich bin häufiger glücklich, als du vielleicht denkst. Aber manchmal klebst du an mir. Wie eine Klette. Meistens komme ich sehr gut damit zurecht. Tim ist gut zu mir.«
Sie ließ den Blick durch das verwüstete Atelier schweifen. »Hochmut, der Fall. Ich bin gestern wirklich nicht mit dem Gedanken wach geworden: ›Hey, Mädchen, wie wär’s mit ein bisschen Verzweiflung.«* Sie lachte erneut und berührte sanft meine Wange. »Du bist immer noch mein Freund.«
»Das bin ich.«
»Wirst du es ihr erzählen? Dass du hierher gekommen bist?«
»Ich weiß nicht.«
»Vermutlich solltest du es nicht tun«, sagte sie. »Da Unkenntnis doch ein Segen ist und so weiter. Nicht, dass du etwas Falsches getan hättest. Au contraire. Also gibt es nichts zu erzählen. Das ist mein Rat. Als Mädchen.«
Eine Jugendbande. Gar keine schlechte Theorie. Ich wollte sie trotzdem in San Francisco wissen.
Meine Erektion hatte nicht nachgelassen. Ich drehte mich so, dass sie es nicht sehen konnte, und ging auf den Schrank zu, in dem sie die teuersten Instrumente aufbewahrte. »Schaffen wir alles hinaus zu deinem Pick-up.«
31
»Eine Gitarrensaite«, sagte ich.
Milo, Petra und Eric Stahl starrten mich an.
Das zweite Gruppentreffen. Kein indisches Essen, ein kleines Konferenzzimmer in der West L.A. Division. 19 Uhr, und die Telefone klingelten.
Beim Saubermachen von Robins Atelier – beim Anfassen der Saiten – war mir die Idee gekommen. Als ich Milo von dem Einbruch erzählte, hatte er gesagt: »Scheiße. Ich spreche mit der Pacific Division und sorge dafür, dass sie es ernst nehmen.«
Ich fuhr fort: »Die Größe, die Windungen. Lasst eine tiefe E- oder eine A-Saite mit den Würgemalen an Juliet Kippers und Vassily Levitchs Hals vergleichen. Es passt außerdem zu der Idee, dass unser Junge sich als Möchtegern- Künstler sieht.«
»Er spielt auf ihnen«, sagte Petra.
Milo knurrte, öffnete die Aktenordner, fand die Fotos, ließ sie herumgehen. Stahl inspizierte die Bilder ohne Kommentar. Petra sagte: »Das ist hiermit schwer festzustellen. Ich gehe ein paar Saiten kaufen und bringe sie zur Gerichtsmedizin. Irgendeine bestimmte Marke?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Künstler«, sagte Milo. »Ich frage mich, ob Kevin Gitarrensaiten in seiner Bude hat.«
Stahls Augen wanderten kurz über den Boden.
Petra sagte: »Ich habe mit Kevins Mom gesprochen. Sie ist sehr nervös, aber es gab keine neuen Erkenntnisse. Kevin ist sanftmütig und so weiter. Dass sie sich solche Sorgen macht, kann bedeuten, dass sie keine Ahnung hat, wo ihr Sohn ist. Oder dass sie es doch weiß. Eins ist mir aufgefallen: Sie hat leuchtend rotes Haar.«
»Wie Erna Murphy«, sagte Milo. »Interessant. Was hältst du davon, Alex? Die alte Ödipus-Beziehung?«
»Wie sieht die Mutter aus?«, fragte ich.
»Kurvenreich, sinnlich, auffällig angezogen«, erwiderte Petra. »Hat in ihrer Jugend vermutlich klasse ausgesehen. Und sieht jetzt nicht wirklich schlecht aus.«
»Verführerisch?«
»Das könnte sie mit Sicherheit sein. Ich habe nichts mitbekommen, was auf ein merkwürdiges
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