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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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ich ihr die Hand geben konnte.
    »Sie haben Baby Boys Gitarren mitgenommen«, sagte sie. Sie zitterte am ganzen Körper. »Ich habe mit Jackie True darüber gesprochen, dass ich sie kaufen möchte, damit ich sie dir geben kann, Alex. Er hat mit Christie’s telefoniert, und sie haben ihm gesagt, dass keine von beiden einen hohen Preis erzielen würde. Er war so gut wie einverstanden.« Sie sah hoch zu mir. »Ich wusste, sie würden dir gefallen. Sie wären mein Geburtstagsgeschenk für dich gewesen.«
    Ihr Geburtstag war in einem Monat. Ich hatte nicht daran gedacht.
    Ich fuhr ihr durch die Locken. »Eine reizende Idee.«
    »Und das ist es, was zählt, richtig?« Sie lächelte und schniefte. »Gehen wir rein.«
    Ihr Wohnzimmer sah bis auf ein paar fehlende Stücke Porzellan unverändert aus. »Hatten die Detectives irgendwelche Ideen?«
    »Jugendbande. Es waren offensichtlich keine Profis. Haben ein paar hervorragende Sachen dagelassen – eine herrliche D’Angelico Excel und eine F-5 aus den Vierzigerjahren – Gott sei Dank hatte ich die in einem Schrank. Von Babys Gibson abgesehen haben sie sich die elektrischen geschnappt. Zwei Fenders aus den Siebzigern, eine Standell-Bassgitarre, eine Neuauflage der Les Paul mit Golddach.«
    »Die standen auf den Glitzerkram«, sagte ich. »Kids.«
    »Das und all die mutwillige Zerstörung verrät Unreife, den Detectives zufolge. So ähnlich wie das, was Kids tun, wenn sie in Schulen einbrechen. Die Banden sind aktiv im Süden der Rose Street. Bis jetzt haben wir nichts davon mitbekommen.«
    Im Süden der Rose war zwei Querstraßen weiter. Noch eine willkürliche Grenze in L.A., so echt wie ein Film.
    Vielleicht begriff Robin das auf einmal, denn sie begann zu zittern, hängte sich fester an mich und vergrub ihren Kopf in den Falten meines Hemdes.
    »War Tims Reise in den Norden ein Notfall?«, fragte ich.
    »Er wollte nicht fahren, ich habe darauf bestanden. Er hat einen Vertrag, wonach er verpflichtet ist, mit den Kids in einer neuen Produktion von Les Miserables zu arbeiten. Zwei Wochen Vorbereitung bis zur Premiere. Bei Teenagern muss man aufpassen, dass man die Stimmbänder nicht zu stark belastet.«
    »Ich dachte, du wärst nur ein paar Tage allein.«
    »Ich fliege hoch, sobald ich das hier erledigt habe.«
    Ich sagte nichts.
    »Vielen Dank, dass du gekommen bist, Alex.«
    »Brauchst du Hilfe beim Aufräumen?«
    »Ich will da nicht mal reingehen.«
    »Wie wär’s dann mit einer Pause? Gehen wir irgendwohin und trinken einen Kaffee.«
    »Ich kann hier nicht weg«, sagte sie. »Der Mann vom Schlüsseldienst kommt.«
    »Wann?«
    »Er wollte vor einer Stunde hier sein. Bleib einfach bei mir. Bitte.«
    Sie holte zwei Colas, und wir setzten uns einander gegenüber hin und tranken.
    »Ein paar Kekse?«
    »Nein, danke.«
    »Ich bin egoistisch. Ich bin sicher, du hast viel zu tun.«
    Ich fragte: »Wo wirst du heute Nacht schlafen?«
    »Hier.«
    »Fühlst du dich wohl bei dem Gedanken?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich weiß nicht.«
    »Warum machen wir nicht Folgendes: Sobald die neuen Schlösser drin sind, räumen wir auf, bringen die Instrumente zur Sicherheit in mein Haus, und dann kannst du heute Nacht nach San Francisco fliegen.«
    Sie legte die Hände in den Schoß.
    »Das könnte ich machen«, sagte sie.
    Dann fing sie an zu weinen.
    Als sie bereit war, sich der Verwüstung zu stellen, gingen wir in ihr Atelier. Wir kehrten zusammen und schafften Ordnung, sammelten Bruchteile geschändeter Instrumente, Stimmwirbel, Stege, retteten, was wir konnten, und warfen den Rest weg.
    Entwirrten verdrehte Gitarrensaiten oder musterten sie aus. Zweimal verletzte ich mich an den scharfen Enden der Drähte, weil ich schnell arbeitete und nicht viel nachdachte.
    Für Robin war die Arbeit eine Tortur, und schließlich konnte sie nicht mehr. Sie staubte die Werkbank ab, setzte sich darauf, sagte: »Es ist gut, hör jetzt auf damit«, und streckte den Arm aus.
    Ich stand mit dem Besen in der Hand da.
    »Komm her«, sagte sie.
    Ich legte den Besen hin und ging auf sie zu. Als ich nahe genug war, legte sie eine Hand in meinen Nacken, zog mich an sich und küsste mich.
    Ich drehte den Kopf weg, und ihre Lippen streiften meine Wange.
    Ihr Lachen war trocken. »All die Male, die du in mir warst«, sagte sie. »Und jetzt ist es falsch.«
    »Grenzen«, erwiderte ich. »Ohne sie ist an der Zivilisation nicht viel dran.«
    »Und du kommst dir zivilisiert vor, nicht wahr?«
    »Nicht besonders«,

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