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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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musterte das Foto mit zusammengekniffenen Augen. »Muss ’n paar Tage her sein.«
    »Das sagten Sie bereits. Wann genau? Und wo?«
    »Wann genau war vor … drei Tagen. Vielleicht drei … könnten zwei sein … könnten drei sein.«
    »Entscheiden Sie sich, Duncan.«
    »Oh, Mann«, sagte Strobe. »Zeit … wissen Sie. Manchmal macht sie …« Er kicherte. Beendete den Satz in seinem Kopf und fand es witzig.
    Zwei oder drei: ein entscheidender Unterschied. Erna Murphy war vor drei Tagen getötet worden. Zwei würde bedeuten, dass man Strobe als Zeugen vergessen konnte.
    »Zwei oder drei, suchen Sie sich eine Zahl aus«, sagte Petra.
    »Dann würd ich sagen drei.«
    »Wo haben Sie sie gesehen, Duncan?«
    »Nähe Bronson, Ridgeway, da in der Nähe, wissen Sie.«
    Nicht weit von der Stelle, wo Ernas Leiche gefunden worden war. Petra warf einen Blick auf Strobe, musterte seine magere Gestalt, seine doppelten Tränensäcke, die ersten Falten. Der Bursche hatte vielleicht noch wie viel, fünf Jahre?
    Strobe wurde zappelig unter ihrem prüfenden Blick, verlagerte sein Gewicht auf die Fersen, verdrehte seine Haare. Eine mädchenhafte Geste, aber an diesem Jungen war nichts Feminines. Er war ein Opfer, das zum Raubtier mutiert war. Auf einer dunklen, abgelegenen Straße hätte sich Petra ihm nicht ohne Rückendeckung genähert.
    »Um welche Zeit war das?«, fragte sie.
    »Wie ich gesagt hab … spät.« Noch ein Kichern. »Oder früh, je nachdem.«
    »Welche Zeit?«
    »Zwei, drei, vier.«
    »Nachts?«
    Strobe starrte sie an, fassungslos angesichts der Dummheit der Frage. »Yeah«, sagte er.
    »Was haben Sie dort gemacht, Duncan?« »Abgehangen.«
    »Mit wem?«
    »Mit niemand.«
    »Ganz allein abgehangen.«
    »Hey«, sagte Strobe, »wenigstens war ich in guter Gesellschaft.«
    Hollywood Nähe Bronson war nur einen kurzen Spaziergang von der Hospital Row am Sunset entfernt. Der perfekte Ort, um sich ein paar Pillen von einem korrupten Arzt oder Apotheker oder auch von einer Krankenschwester zu beschaffen und sie dann auf dem Boulevard wieder zu verkaufen. Petra wusste, dass Kollegen vom Drogendezernat einen Krankenhauschirurgen verhaftet hatten, der sich als Großhändler versuchte. Der Idiot absolviert ein dermaßen schwieriges Studium und bringt es so weit, um sich dann alles zu versauen.
    »Ich nehme an, Sie haben ein bisschen Handel getrieben«, sagte sie.
    Strobe wusste genau, was sie meinte, und ließ ein zahnlückenhaftes Grinsen aufscheinen. Grünes Zeug wuchs auf seinem Zahnfleisch. Herr im Himmel.
    »Sagen Sie mir genau, was Sie gesehen haben«, verlangte Petra.
    »Sie ist ’ne Irre, stimmt’s?«
    »War.«
    »Yeah, yeah, yeah. Das ist, was ich gesehen hab, ’ne Irre, die sich irre benimmt, irre auf und ab marschiert und mit sich selbst redet. Wie jeder andere Irre. Dann hat sie ’n Wagen mitgenommen. Ein Freier.«
    »Sie wollen sagen, sie ist auf den Strich gegangen?«
    »Was sonst tun Schlampen nachts, wenn sie auf und ab gehen.« Strobe lachte. »Und dann, hat er sie abgestochen? Haben wir einen Jack Ripper oder was?« »Sie finden das alles amüsant, Duncan?«
    »Hey, man nimmt sich seine Lacher, wo man sie kriegen kann.«
    »Wissen Sie genau, dass sie auf den Strich gegangen ist?«
    »Na ja … klar. Warum nicht?«
    »Es gibt entweder ›klar‹ oder »warum nicht‹«, sagte Petra.
    »Muss ich mir wieder eins aussuchen?«
    »Lassen Sie den Scheiß, Duncan. Wenn Sie mir sagen, was Sie genau wissen, ist noch ein Zwanziger für Sie drin. Wenn Sie so weitermachen, nehme ich Ihnen den ersten wieder ab und buchte Sie wegen irgendwas ein.«
    »Hey«, sagte Strobe mit derselben unheimlichen Stimme. Petra nahm an, dass sie wahrscheinlich eine hässliche Szene zwischen ihm und dem heißblütigen Falafel-Mann verhindert hatte. Fürs Erste.
    Strobes Augen musterten hektisch die Umgebung, und seine abgemagerte Gestalt wirkte angespannt. Hielt er nach einem Fluchtweg Ausschau?
    Oder plante er irgendwas Aggressives?
    Dann streifte er Petras Handtasche mit einem Blick.
    Ihre Pistole war darin, ganz oben. Ihre Handschellen waren an ihrem Gürtel.
    So verrückt wäre er doch nicht – oder doch?
    Sie lächelte, sagte: »Duncan, Duncan«, packte ihn, drehte ihn herum, bog ihm den Arm nach oben, griff nach den Handschellen, bekam ein Handgelenk zu fassen, dann das andere.
    »Au, ’tective!«
    Eine Schnelldurchsuchung förderte eine halb leere Packung Salem, einen Beutel Pillen und Kapseln und ein verrostetes Taschenmesser

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