Blutnacht
Rausschmeißer, Parkwächter, Boulevardprediger, Rauschgiftzombies, Bordsteinschwalben, diverse andere Kreaturen der Nacht. Auch Verrückte. Hollywood war um diese Zeit eine Freiluft-Irrenanstalt.
Sie starrte in tote Augen, roch ranzigen Atem, empfand Ekel, Mitleid und Vergeblichkeit. Das waren Erna Murphys Seelenverwandte, aber niemand, der der Sprache mächtig war, gab zu, die große Rothaarige zu kennen.
Heute würde es langweiliger zugehen: Geschäftsleute befragen, die sie beim ersten Durchgang verpasst hatte. Es war zu hoffen, dass sich ein braver Mitbürger an Erna erinnerte.
Es war ein Schurke, der sich als hilfreich erwies. Ein bleicher zweiundzwanzigjähriger Speedfreak und Pillenverticker namens Strobe mit verfilzten hellblonden Haaren, die ihm bis über die Schulterblätter gingen. Richtiger Name: Duncan Bradley Beemish. Ein Junge vom Land, irgendwo aus dem Süden, Petra erinnerte sich nicht woher. Er war vor Jahren von zu Hause abgehauen, nach Hollywood gekommen und vor die Hunde gegangen wie so viele andere auch.
Petra hatte ihn einmal als kleinen Spitzel benutzt. Beemish war ihr über den Weg gelaufen, als sie in einer Kneipenschießerei ermittelte, und der Speedfreak hatte zweideutige Informationen beigesteuert, die Petra zu jemandem führten, der jemanden kannte, der vielleicht etwas über irgendetwas gehört hatte, das vielleicht abgegangen war, aber dann doch nicht.
Dieses Fiasko hatte sie siebzig Dollar gekostet, und sie hatte von Strobe die Nase voll gehabt. Aber er fand sie, als sie mit dem Inhaber eines Imbisslokals auf der Western sprach, das »mediterrane Küche« anpries. Auf der Western hieß das Kebabs und Falafel und Schwaden von Holzkohlenrauch, die auf den Bürgersteig strömten.
Der Inhaber war ein Mann aus dem Nahen Osten mit einem großen goldenen Schneidezahn und einer allzu freundlichen Art – der schmierige Typ, dessen Stimmung rasch umschlagen konnte. Der Imbissstand hatte eine B-Note des Gesundheitsamts bekommen, was hieß, dass die Zahl der Nagetierkötel das akzeptable Maß überschritten hatte. Goldzahn leugnete, Erna Murphy je gesehen zu haben, und bot Petra ein Kebab-Sandwich an. Als sie ablehnte und sich zum Gehen wandte, sagte eine durchdringende Stimme: »Ich nehm das Sanwich, ’tective Connor.«
Sie drehte sich um und sah in Strobes nervöses Gesicht. Der junge Mann konnte nicht stillstehen, und seine langen Haare vibrierten wie Glühfäden.
Der dunkle Teint des Falafel-Manns wurde purpurrot. »Duu!« An Petra gewandt: »Schaafen Se ihn aussa meim Laaden, er klaute imma meine schaarf Sohß.«
»Leck mich, Osama«, entgegnete Strobe.
»Sie müssen an Ihrem Charme arbeiten, Duncan«, sagte Petra.
Strobe hustete trocken, blies ihr Tabakatem ins Gesicht und schlug sich aufs Knie, »’tective Connor! Wassis los – wassis das ?« Nervöse Finger berührten das Foto in Petras Hand.
»Eine tote Frau.«
»Cool. Lassen Sie mal sehn.«
Der Falafel-König befahl: »Sie. Polizei. Schaafen Se ihn aussa meim Laaden.«
Strobe ging in die Hocke, und seine schmutzigen Haare schwangen um seinen Kopf wie Ranken, als er seine körpersprachlichen Fähigkeiten in einen fulminanten Einfinger-Gruß legte. Bevor er die Geste vollenden konnte, brachte Petra ihn aus dem Laden, weg von Goldzahns Rufen und hinüber zu ihrem Wagen.
»Bekackter Kameltreiber«, sagte Strobe plötzlich mit einer unheimlichen Stimme. »Wenn ich zurückkomme und ihn absteche, machen Sie sich dann die Mühe und ermitteln?« Bevor Petra antworten konnte, waren die Kojotenaugen des Freaks dank seiner speedgeschwächten Konzentrationsspanne wieder zu Erna Murphys Foto zurückgewandert. Fröhlichkeit lag in den Augen – von der niederträchtigen Sorte. Die kalte Seite des jungen Mannes lauerte direkt unter der Oberfläche. »Hey – ich kenne sie.«
»Soso«, sagte Petra.
»Yeah, yeah, yeah, yeah, yeah, hab sie gesehn – was – mal sehn – muss ’n paar Tage her sein.«
»Wo, Duncan?«
»Wie viel isses wert?«
»Ein Sandwich«, sagte Petra.
»Ha. Hahahahahahaha. Jetzt mal im Ernst, ’tective Connor.«
»Wie kann ich wissen, was es wert ist, bevor Sie mir sagen, was Sie wissen, Duncan?«
»Wie kann ich Ihnen sagen, was ich weiß, bevor Sie mich bezahlen, ’tective Connor?«
»Duncan, Duncan«, sagte Petra, öffnete ihre Handtasche und zog einen Zwanziger heraus.
Strobe schnappte sich den Geldschein wie ein Tier im Zoo, das nach einer Erdnuss greift. Er steckte das Geld in die Tasche,
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