Blutnacht
zutage.
»Au«, wiederholte er. Dann begann er zu heulen wie ein Baby.
Sie setzte ihn hinten in ihren Wagen, stopfte ihm die Zigaretten in die Brusttasche seines Hemds, warf die Drogen in einen Gully – tut mir Leid, Pazifik –, steckte das Messer ein, setzte sich nach vorn, öffnete den Reißverschluss ihrer Handtasche und legte ihre Hand auf die Pistole.
Tränen tröpfelten aus den Augen des jungen Mannes.
»Tut mir wirklich Leid, ’tective Connor«, sagte er mit der Stimme eines Zwölfjährigen. »Ich versuche, Sie nicht zu verarschen, ich bin nur hungrig, dassis alles, brauch ’n Sandwich.«
»Läuft das Geschäft schlecht?«
Strobe sah in die Richtung des Gullys. »Jetzt bestimmt.«
»Sehen Sie«, sagte sie, »ich habe keine Zeit für solche Spielchen. Sagen Sie mir genau, was Sie über Erna Murphy wissen und was Sie vor drei Nächten gesehen haben.«
»Ich weiß gar nix von ihr, weiß nich’ mal ihren Namen«, erwiderte Strobe. »Ich hab sie nur gesehen, wie ich Ihnen gesagt hab, ich weiß, dass sie eine von den Irren is’ –«
»Hat sie sich mit anderen Irren rumgetrieben?«
»Wollen Sie mich festnehmen?«
»Nicht, wenn Sie mit mir zusammenarbeiten.«
»Nehmen Sie die hier ab?« Er bewegte die Arme. »Die tun weh.«
Seine Gelenke waren schmal, und sie hatte die Handschellen fest angezogen. Aber sie konnten ihm unmöglich wehtun. Sie war vorsichtig gewesen, war immer vorsichtig. Jeder war ein Schauspieler …
»Ich nehme Sie Ihnen ab, wenn wir fertig sind.«
»Ist das nicht illegal?«
»Duncan.«
»Tut mir Leid, tut mir Leid – okay okay okay, was ich weiß … wie war die Frage?«
»Hat sie sich mit anderen Irren rumgetrieben?«
»Ich hab keinen gesehen. Es is’ nich’ so, als wär sie die ganze Zeit da, ein Teil der Szene. Sie war da und dann wieder nich’. Verstehn Sie, was ich meine? Ich hab nie mit ihr geredet, niemand hat mit ihr geredet, sie hat mit niemand geredet. Sie war irre.«
»Wissen Sie genau, dass sie auf den Strich ging?«
Strobes pelzige Zunge fuhr über den spärlichen, ausgetrockneten Streifen grauen Gewebes, der als seine Unterlippe durchging. »Nein. Das kann ich nich’ sagen. Hab ich nur vermutet. Weil sie in den Wagen gestiegen is’.«
»Was für ein Wagen?«
»Nur ein Wagen«, erwiderte er. »Nix Ausgefallenes – kein BMW oder Porsche.«
»Farbe?«
»Hell.«
»Groß oder klein?«
»Klein, glaube ich.«
Kevin Drummond fuhr einen weißen Honda. Milos Anruf, dass der Wagen in Flughafennähe aufgetaucht sei, machte es noch wahrscheinlicher, dass Kevin ihr Mann war. Der Plan lautete, zu warten, bis das Fahrzeug freigegeben wurde, und dann würde sie sich Kevins Eltern noch mal vorknöpfen.
Strobes Geschichte gab der ganzen Sache erheblichen Auftrieb. Zeit und Ort passten perfekt.
Kevin beschließt, dass Erna entbehrlich ist, liest sie auf, fährt mit ihr ein paar Querstraßen weiter, versorgt sie mit Alk, vollbringt die Tat, lässt den Wagen in Inglewood stehen, macht die kurze Wanderung nach LAX und fährt himmelwärts.
Milo hatte sie heute früh angerufen, bevor sie das Haus verließ. Bis jetzt hatte er noch niemanden gefunden, der Kevin am Flughafen gesehen hatte.
»Der Wagen«, sagte sie. »Gib mir eine Marke, Duncan.«
»Ich weiß nich’, ’tective Connor.«
»Nissan, Toyota, Honda, Chevy, Ford?«
»Ich weiß nich’«, wiederholte Strobe. »Das ist die Wahrheit, ich will nich’ irgendeinen Mist verzapfen, und dann stellen Sie fest, dass es nich’ stimmt, und denken, ich hab gelogen, und kommen mich holen – können Sie bitte diese Dinger abnehmen, ich kann’s nich’ ertragen , gefesselt zu sein.«
Irgendetwas am Tonfall des jungen Mannes – eine echte Traurigkeit, die frühere Demütigungen verriet – rührte ihr Herz. Ausreißer kamen nicht ohne Grund nach Hollywood. Einen furchtbaren Moment lang sah Petra einen jüngeren Duncan Beemish mit rosigen Wangen vor sich, der zu Hause von einem Perversen festgebunden worden war.
Als könne er ihr Unbehagen spüren, brach Strobe zusammen und weinte noch lauter.
Petra blendete ihn vor ihrem geistigen Auge aus. »Kein Lieferwagen? Bestimmt ein Pkw?«
»Ein Pkw.«
»Kein Geländewagen?«
»Ein Pkw.«
»Farbe?«
»Hell.«
»Weiß, grau?«
»Ich weiß nich’, ich lüg Sie nich’ an –«
»Warum haben Sie vermutet, sie ginge auf den Strich, Duncan?«
»Weil sie auf der Straße war und der Wagen bei ihr anhielt und sie eingestiegen ist.«
»Wie viele Leute waren in dem
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