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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Auseinandersetzung hatten. Einen Streit. Es war mein Fehler, ich hab mich vergessen. Ich wurde rabiat und hab angefangen, ihn zu schubsen, hab ihn immer wieder gestoßen, richtig fest. Er hat es eine Zeit lang hingenommen, und schließlich hat er mich zurückgestoßen.«
    »Mit der Faust?« »Mit der Hand«, sagte sie und zeigte Milo eine glatte Handfläche. Sie trug zwei Ringe an jeder Hand. Billiges Zeug – dünnes Gold, Halbedelsteine. Kein Solitärbrillant.
    »Das hat seine offene Hand getan?«
    »Ja, das hat sie, Lieutenant. Weil ich auf ihn losging und die Bewegung – die ganze Wucht, wir sind zusammengestoßen. Glauben Sie mir, er war sehr viel mehr außer sich als ich. Ist auf die Knie gegangen und hat um Verzeihung gebeten.«
    »Haben Sie sie gewährt?«, fragte Milo.
    »Natürlich habe ich das. Es gab nichts zu verzeihen.« Sie stieß mit dem Daumen gegen ihre Brust. »Ich hab angefangen. Er hat sich verteidigt.«
    Milo nippte an seinem Eistee und ließ ein paar Augenblicke verstreichen.
    »Heute allein in der Mittagspause?«, fragte er dann.
    »Er hat eine Besprechung.«
    »Ach.« Benutzte wieder das alte Wort der Seelenklempner. Nachdem er Alex jahrelang damit aufgezogen hatte, sah er es jetzt als brauchbares Hilfsmittel an.
    »Es stimmt«, sagte Stephanie Cranner. »Wenn Sie mir nicht glauben, können Sie es überprüfen.«
    »Und Ihnen war eher nach Alleinsein zumute.«
    »Ist das ein Verbrechen?«
    »Was hat Sie so aufgebracht, dass Sie ihn gestoßen haben, Ms. Cranner?«
    »Ich kann nicht erkennen, warum ich darüber reden müsste.«
    »Sie müssen nicht.«
    »Dann tu ich’s auch nicht.«
    Milo lächelte.
    Sie sagte: »Sie werden das nicht auf sich beruhen lassen.«
    »Ich habe einen Job zu erledigen.« »Sehen Sie«, sagte sie, »wenn Sie es wissen müssen , bei dem Streit ging es um Julie. Und das ist auch genau der Grund, warum Sie Ihre Zeit verschwenden, wenn Sie Ev in Verdacht haben.«
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust und blickte selbstgefällig drein. Als wenn das alles erklärte.
    »Da komme ich nicht mit, Ms. Cranner«, sagte Milo.
    »Ich bitte Sie«, erwiderte sie. »Begreifen Sie denn nicht? Ev liebte Julie. Liebt sie immer noch. Das hat mich aus der Fassung gebracht. Er liebt mich, aber er – er kann sich Julie nicht aus dem Kopf schlagen. Selbst jetzt, wo sie … seit sie gestorben ist, kann er nicht …« Eine Rötung stieg von ihrem Hals bis zum Haaransatz, eine derart plötzliche und heftige Reaktion, dass sie aussah wie in einer Comiczeichnung.
    »Seit sie gestorben ist, kann er was nicht?«, fragte Milo.
    Stephanie Cranner murmelte etwas.
    »Wie bitte?«
    »Sie wissen schon.«
    Milo sagte nichts.
    »Scheiße«, sagte Stephanie Cranner. »Ich und meine große Klappe.« Ihre Fingerspitzen streiften seinen Ärmel. Sie klimperte mit den Wimpern, schüttelte ihre Haare aus und warf ihm ein mattes Lächeln zu. »Bitte, Lieutenant, sagen Sie ihm nicht, dass ich etwas über … bitte, sagen Sie es ihm nicht, er würde …«
    Sie brach ab.
    Und dann unterdrückte Milo sein mattes Lächeln, weil er wusste, wie der Satz weiterging. Er würde mich umbringen.
    »Er würde unglücklich sein«, sagte sie mit zu viel Nachdruck. »Ich hatte kein Recht, es Ihnen zu erzählen, Sie bringen mich dazu, Dinge zu sagen, die ich nicht meine.«
    »Belassen wir es dabei: Seit Julies Tod hat sich Mr. Kipper verändert.«
    »Nein. Ja. Nicht nur in dieser Hinsicht. Vor allem emotional. Er – er ist distanziert. Es gehört alles zu derselben Geschichte.«
    »Emotional«, sagte er. Ein anderer Trick aus der Seelenklempnerkiste. Ein Echo sein.
    Sie sagte: »Ja! Ev hat so sehr an Julie gehangen, dass er sie sich nicht aus dem Kopf schlagen kann und … sich hingeben kann.«
    Sie holte mit dem Arm aus und warf das übrig gebliebene Stück Brezel über den Platz. Eher ein Angriff als Altruismus; Tauben stoben auseinander. Das Gebäck rollte vor sich hin, taumelte und blieb schließlich liegen.
    »Ich wusste über Julie Bescheid«, sagte sie, »als ich anfing mit ihm zu gehen.«
    »Was wussten Sie?«
    »Dass sie sich dann und wann immer noch trafen. Damit konnte ich umgehen. Ich dachte mir, das geht vorüber. Und Ev hat es versucht. Er wollte sich mir hingeben, aber …«
    Sie blinzelte Tränen weg, setzte ihre Sonnenbrille auf, zeigte Milo ihr Profil.
    »Sie trafen sich weiterhin«, sagte er.
    »Da war nichts Heimlichtuerisches dran, Lieutenant. Ev hat offen darüber geredet. Es war immer Teil unserer

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