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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Aufnahme läuft großartig, und China flippt wegen irgendetwas aus – vielleicht etwas, was jemand gesagt hat, die Anlage –, wenn sie so drauf war, konnte es daran liegen, wie die Vorhänge aufgehängt waren. Sie kriegt einen Anfall, stürmt aus dem Studio und verschwindet.«
    »Kein Wort darüber, wo sie hingehen wollte?«
    »Nee. Nur ›Leckt mich‹ in alle Richtungen. Wir nahmen an, sie wäre bald wieder da, wie sie es immer gewesen ist. Wutanfälle waren normal bei ihr.« Er zog noch eine Zigarette heraus und steckte sie sich mit einem Donald-Duck-Feuerzeug an.
    »Was ist mit den Nummern passiert, die Sie an diesem Abend aufgenommen haben?«, fragte ich.
    »Sie sind wertlos. Ich hab versucht, sie zu verkaufen, aber ohne die Aussicht einer Tournee mit China wollte uns niemand – weder Gittleson noch einer von den anderen – kennen. Ein paar Monate später waren wir Schnee von gestern.« Erneutes Kichern. »Ernsthaftes Pathos, wie? Ich hätte ein Kandidat sein können? Wie dieses schwedische Schiff, die Wasa, haben Sie schon mal davon gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich war letztes Jahr in Schweden, ’ne Art Geschäftsreise, sie machen vielleicht ein Franchise von den Lumpkins da drüben. Also führt mich dieser schwedische Trickzeichner in Stockholm herum. Merkwürdige Stadt, all diese großen blonden Zombies taumeln da rum, als hätten sie seit Jahren kein Auge zugemacht. Wegen der Sache mit dem Licht, die sie da haben. Im Sommer wird’s nie richtig dunkel, und im Winter ist es die ganze Zeit dunkel. Das war im Sommer, wir kommen um Mitternacht aus einem Club raus, und es ist immer noch hell. Jedenfalls nimmt mich dieser Typ am nächsten Tag mit zu diesem Schiff, der Wasa. Ein großes altes Wikinger-Kriegsschiff aus Holz, vor Hunderten von Jahren gebaut, riesiges Schiff, und die Schweden beluden es mit Kanonen für den Krieg, den sie mit den Dänen führten. Das Problem war, sie haben es mit den Kanonen überladen, also ist das Scheißding, als sie es vom Stapel ließen, direkt in der Nordsee gesunken. Vor vierzig Jahren haben sie es wieder geborgen, haben es völlig intakt aus dem Wasser gezogen und ein Museum drum herum gebaut. Man kann reinklettern und so tun, als wäre man Leif Erikson, sich betrinken und Hering essen, was man will. Jedenfalls dreht sich dieser Typ, der mich rumführt, als wir das Museum verlassen, zu mir um, ihm stehen die Tränen in den Augen, diese unglaubliche Schwermut, und sagt: ›Paul, mein Freund, wenn die Wasa nicht gesunken wäre, wäre Schweden jetzt eine Weltmacht.«‹ Drei rasche Züge von dem frischen Glimmstängel. Er hielt den Atem an, schloss die Augen, bekam einen Hustenanfall. Danach schien er sich wohler zu fühlen. »Wir sind die musikalische Wasa. Wenn China nicht ermordet worden wäre, könnten wir Aerosmith sein, ha-ha-ha.«
    »Was können Sie mir sonst noch über China sagen?«
    »Sie hätte für Sie Verwendung gehabt. Geistig instabil. Das waren wir alle. Ich bin auf Lithium und Antidepressiva. Vier verkorkste Persönlichkeiten, und dann haben wir es mit Drogen noch verstärkt.«
    Zwerchfellerschütternde Situationen.
    Ich fragte: »Christian Bangsley auch?«
    »Mr. Unternehmer? Chris ganz besonders. Er war weiter neben der Kappe als der Rest von uns. Kam aus einer reichen Familie und hatte kein Rückgrat. Im Gegensatz zu uns, deren moralisches Rückgrat allerdings schwach war.«
    »Er hat sich verkauft?«
    »Er hat sich nicht verkauft«, sagte Brancusi. »Das ist ein idiotisches Konzept. Was ist der Unterschied, wie man seinen Weg durchs Leben bestreitet – ob man nun Musik macht oder ein Steuerberater ist oder Lagerhäuser baut oder was auch immer? Es ist alles ein grauer Totenmarsch. Chris hat einen andern Gang eingelegt, das ist alles.«
    »Wo ist Squirt?«
    »Tot«, sagte er leichthin. »Ist nach Europa gegangen und an einer Überdosis Heroin gestorben. In irgendeinem Park in der Schweiz. Er hat wie ein Penner gelebt, deshalb hat es Wochen gedauert, bis man ihn identifiziert hat.«
    »Sie sind nicht überrascht.«
    »Squirt hat ziemlich heftig an der Nadel gehangen, bevor China getötet wurde. Danach hat er angefangen, das Zeug reinzuschaufeln.«
    »Von Chinas Tod traumatisiert?«
    »Vermutlich. Er stand am meisten unter Druck. Wenn man China nicht mitzählt.«
    »Abgesehen von Chinas genereller Aggressivität, gab es irgendjemanden, mit dem sie in der Woche vor ihrem Tod einen Zusammenstoß hatte?«
    »Nicht dass ich wüsste, aber es würde

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