Blutnacht
Zuneigung für Baby Boy. Oder an der Tatsache, dass es ihr Leben nicht mehr berührte, was ich mit meinem machte.
»Nun ja«, sagte sie. »Ich bin sicher, wenn irgendwer den Fall gelöst kriegt, dann du.«
»Was für ’n Quatsch, Ma’am.«
»Bye«, sagte sie, und das Lachen in ihrer Stimme machte meinen Tag ein bisschen sonniger.
Milo rief mich am darauf folgenden Donnerstag an, kurz nach 21 Uhr. Einsamer Abschluss eines einsamen Tages. Ich hatte den letzten meiner Berichte fertig gemacht, Belege für meinen Steuerberater zusammengestellt und ein paar handwerkliche Arbeiten im Haus erledigt. Als das Telefon klingelte, zog ich gerade die Couchpotato-Nummer ab, trug einen schmuddeligen Trainingsanzug, verschlang Spare Ribs zum Mitnehmen, zwei Flaschen Grolsch in Reichweite. Machte das Licht dunkler und drehte die Lautstärke auf, während ich mir Magnolia ansah. Und erneut dachte, dass der Film das Werk eines Genies war.
Die beiden vergangenen Nächte hatte ich bei Allison geschlafen, war in ihrem gemütlichen, mädchenhaften Schlafzimmer aufgewacht, Parfüm und Frühstücksgerüche in der Nase, die Stacheln meines unrasierten Gesichts an weiche frische Bettwäsche pressend, und in meinem Kopf lagen Freude und Orientierungslosigkeit im Widerstreit.
Von Grant und Robin wurde nicht mehr geredet, und sie schien zufrieden zu sein – oder versuchte so zu tun. Sie verschob ein paar Termine und nahm sich einen Tag frei, und wir fuhren an der Küste entlang nach Norden, aßen in Montecito zu Mittag, im Stone House. Dann fuhren wir weiter nach Santa Barbara, gingen am Strand entlang und die State Street hoch zum Kunstmuseum, wo eine Ausstellung mit Porträts gezeigt wurde.
Schwarzäugige, zu kluge Kinder von Robert Henri, die sehnsüchtigen, verletzten Frauen von Raphael Soyer, die Dandys und aufgedonnerten Ladys aus John Kochs New Yorker Künstlerclique.
Blasse, gelangweilte, dunkelhaarige Schönheiten von Singer Sargent, die mich veranlassten, Allison mit neuen Augen anzusehen.
Ein spätes Abendessen im Harbor auf dem Pier, das sich bis 23 Uhr hinzog, und kurz vor 1 Uhr waren wir wieder in L.A. Die letzten zwanzig Meilen hatte ich darum kämpfen müssen, wach zu bleiben. Als ich vor Allisons Haus anhielt, hoffte ich, sie würde mich nicht hineinbitten.
Sie sagte: »Es war großartig – du bist großartig für mich. Willst du einen Pulverkaffee, bevor du abziehst?«
»Ich schaff es schon.«
Ich küsste sie und fuhr los. Jetzt gehörte die Nacht mir.
Am nächsten Vormittag lieh ich mir den Film aus.
Milo fragte: »Störe ich bei irgendwas?«
»Bier und Spare Ribs und Magnolia.«
»Der schon wieder? Wie oft hast du ihn gesehen, zehnmal?«
»Dreimal. Was gibt’s?«
»Bist du allein?«
»Ja.«
»Schäm dich, du Mistkerl: Spare Ribs zu bunkern!«
»Schön«, sagte ich. »Komm her und iss mit.«
»Führe mich nicht in Versuchung, Satan. Nein, Rick beendet seine Schicht früher, und wir machen uns auf zur Jazz Bakery. Larry Coryell ist in der Stadt, und du kennst ja Rick. Jedenfalls hat CoCo Barnes ihre Zeichnung der Rothaarigen geschickt. Du hattest leider Recht. Es ist beinahe schon abstrakt – dieser graue Star macht sie als verlässliche Zeugin unbrauchbar. Außerdem habe ich das Neueste über Everett Kipper. Er ist nicht besonders beliebt.«
»Bei wem?«
»Bei seinen Nachbarn«, antwortete er. »Er wohnt in einem schönen Teil von Pasadena – an der Grenze zu San Marino. Ein großes Haus auf einem Grundstück von viertausend Quadratmetern, eine Menge Haus für einen Mann. Im Rest des Blocks leben Familien und ältere Leute. Die unmittelbaren Nachbarn von Kipper auf beiden Seiten gehören zu der letzteren Gruppe – vornehme alte Leute. Sie sagen, er sei unfreundlich, ein Einzelgänger, und sei immer spät in der Nacht in seine Garage gegangen und habe einen Höllenlärm gemacht, indem er auf Marmor herumhämmerte oder was auch immer. Schließlich riefen sie die Cops, die rausfuhren und mit Kipper sprachen. Danach wurde es etwas ruhiger, aber dafür wurde Kipper richtig unfreundlich – gab keine Antwort, wenn man ihn ansprach. Die Cops haben ihn aufgefordert, ab zehn Uhr Ruhe zu bewahren, und die Nachbarn sagen, Kipper lege Wert darauf, bis Punkt zehn zu hämmern. Ließe seine Garagentür auf, damit ihn auch bestimmt alle hören können.«
»Feindselig und rachsüchtig«, sagte ich. »Bildhauert und zerschlägt es wieder.«
»Ich hab mit den Cops aus Pasadena gesprochen, aber sie erinnern sich
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