Blutnacht
nur an den Anruf wegen Lärmbelästigung. Sie haben mir das Protokoll geschickt. Nicht sehr erhellend. Die Nachbarn haben auch gesagt, dass Kipper selten, wenn überhaupt, Besuch empfängt, dass aber hin und wieder eine blonde Frau bei ihm war. Ich hab ihnen Julies Bild gezeigt, und sie meinten, sie wäre es vielleicht gewesen.«
»Vielleicht?«
»Diese Leute sind in den Achtzigern, und niemand hat sie von nahem gesehen. Blond ist das, woran sie sich erinnern – ganz hellblondes Haar, Julies Haarfarbe. Sieht also so aus, als hätte Kipper die Wahrheit gesagt, als er uns erzählte, sie stünden noch miteinander in Kontakt.«
»Wie oft war sie da?«
»Unregelmäßig. Manchmal einmal im Monat, manchmal zweimal. Eine der alten Frauen erzählte mir, sie wäre sicher, dass die Blondine manchmal bei ihm übernachtete, weil sie Kipper und sie am nächsten Morgen in Kippers Ferrari steigen sah.«
»Gelegentliche Intimität«, sagte ich.
»Vielleicht kam sie vorbei, um die Unterhaltszahlung persönlich abzuholen, und sie haben vergessen, warum sie sich getrennt hatten. Dann hab ich darüber nachdenken müssen, was du gesagt hast – Julies Abhängigkeit. Wenn sie nun beschlossen hat, dass sie davon nichts mehr wissen wollte, Kipper das gesagt hat und die Dinge eine böse Wendung nahmen? Er würde sie nicht in seinem Haus töten. Nicht solange ihm die Nachbarn über die Schultern sahen und die Polizei bereits ein Protokoll zu den Akten genommen hatte. Du hast von einem klugen, berechnenden Typ geredet, und er ist ein heller Bursche. Habe ich eine Möglichkeit, es zu beweisen? Njet. Aber ich hab sonst nichts im Visier.«
»Wie sieht es mit Kippers finanzieller Situation aus?«
»Ich bin Lichtjahre davon entfernt, Einsicht in seine Konten nehmen zu dürfen, aber allem Anschein nach geht es ihm gut. Zusätzlich zu dem Testarossa hat er einen alten Porsche Speedster, einen alten MG und einen Toyota Land Cruiser. Das Haus ist prächtig und gepflegt, er kümmert sich um den Garten und die Instandhaltung – vom Bordstein aus siehst du es funkeln. Die Nachbarn sagen, er ziehe sich elegant an, selbst wenn er zu Hause bleibt. Ein alter Knacker sagt, er sehe ›nach Hollywood« aus. Was in Pasadena einem Verbrechen verdammt nahe kommt. Eine alte Lady lässt sich darüber aus, dass Kipper gern Schwarz trägt. Beschrieb es als ›Uniform eines Bestattungsunternehmers‹. Darauf stimmt ihr Mann ein und sagt: »Nein, er sieht aus wie eine der Leichen. ‹ Einundneunzig Jahre und reißt Witze. Vielleicht hat der Gin Tonic aus ihm gesprochen – sie haben mich zu einer kleinen Erfrischung eingeladen. Ich glaube, ich war die aufregendste Sache in ihrer Umgebung seit dem letzten Rose Bowl.«
»Gin Tonic mit den alten Leuten«, sagte ich. »Raffiniert.«
»Queen Mom hat Gin Tonics getrunken, und sie ist hunderteins geworden. Aber ich hab eine Cola zu mir genommen. Ich sage dir, es war eine Versuchung – sie schenkten Bombay aus, und ich hatte in letzter Zeit nicht viel Spaß. Ein Triumph der Tugend. Gottverdammt. Jedenfalls ist Kipper immer noch auf meinem Bildschirm. Der feindselige, aggressive Einzelgänger. Außerdem hab ich mich auch umgehört nach hoch gewachsenen, rothaarigen obdachlosen Frauen. Auf der Westside und bei der Pacific Division sind ein paar mögliche Kandidatinnen aufgetaucht, aber sie stellten sich alle als die Falschen heraus. In einem der Obdachlosenasyle in Hollywood erinnert man sich an eine Frau namens Bernadine oder Ernadine, auf die die Beschreibung zutrifft. Hoch gewachsen, große Knochen, verrückt, ungefähr Mitte dreißig. Sie kommt gelegentlich vorbei, um trocken zu werden, aber man hat sie dort schon eine Zeit lang nicht mehr gesehen. Der Leiter des Asyls hatte den Eindruck, sie hätte einen ziemlichen Abstieg hinter sich.«
»Warum?«
»Wenn sie klar im Kopf war, hörte sie sich angeblich recht intelligent an.«
»Kein Familienname?«
»Anders als die öffentlichen Heime führen die privaten nicht immer genaue Unterlagen – es ist eine Kirchengruppe namens Dove House. Fragen werden dort nicht gestellt.«
»Wenn Bernadine intelligent klang«, sagte ich, »wovon hat sie dann geredet?«
»Keine Ahnung. Warum? Damit hab ich nur meine Zeit totgeschlagen, weil ich mit Kipper in einer Sackgasse steckte.«
»Ich hab mich bloß gefragt, ob sie ein Kunstfan war.«
»Auf einmal denkst du, es hat Sinn, dem nachzugehen?«
»Nicht wirklich.«
»Was?«
»Vergiss es«, sagte ich. »Ich will deine Zeit
Weitere Kostenlose Bücher