Blutnacht
Zeit im Haus des anderen. Ich kaufte die neue Ausgabe des Guitar Player und las das Porträt von Robin. Verbrachte lange Zeit damit, die Fotos anzustarren.
Robin in ihrer neuen Werkstatt. Kein Wort darüber, dass es je eine andere gegeben hatte. Herrlich gearbeitete Gitarren und Mandolinen sowie Empfehlungen von Prominenten und strahlende Gesichter. Die Kamera liebte sie.
Ich schrieb ihr einen kurzen Glückwunsch und erhielt eine Karte zur Antwort, auf der sie sich bedankte.
Zweieinhalb Monate nach Julie Kippers Ermordung wurde es wärmer, und ihre Mordakte fror ein. Milo fluchte und legte sie beiseite und begann wieder damit, kalte Fälle auszugraben.
Wenige von ihnen waren lösbar, und das hielt ihn auf Trab und sorgte für schlechte Laune. Bei unseren gelegentlichen Treffen kam er unweigerlich auf Julie zu sprechen – manchmal mit dem bemüht unbekümmerten Ton, der verriet, dass ihm sein Misserfolg zu schaffen machte.
Kurz nach unserer letzten Begegnung fuhren Allison und ich zum Malibu Canyon, um einen Meteorregen zu beobachten. Wir fanden eine einsame Abzweigung, ließen das Verdeck ihres Jaguar herunter, stellten die Rückenlehnen nach hinten und sahen zu, wie kosmischer Staub Streifen zog und explodierte. Kurz nachdem wir wieder zu Hause waren, klingelte um 1:15 Uhr das Telefon. Ich überflog die Zeitungen, und Allison las V.S. Naipauls Mimic Men. Sie hatte ihre Haare aufgesteckt, und eine winzige Lesebrille mit schwarzem Gestell saß auf ihrer Nase. Als ich den Hörer abhob, warf sie einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch.
Die meisten Anrufe um diese Zeit galten ihr. Notfälle.
Ich meldete mich.
Milo erklärte: »Noch einer.«
Ich formte seinen Namen mit den Lippen, und sie nickte.
»Klassischer Pianist«, fuhr er fort, »erstochen und stranguliert nach einem Konzert. Direkt hinter dem Ort der Veranstaltung. Und stell dir vor: Der Bursche war auf dem Weg nach oben, was seine Karriere anging. Plattenvertrag kurz vor dem Abschluss. Es war nicht mein Fall, aber ich hab über Polizeifunk davon gehört, bin hingefahren und hab ihn übernommen. Vorrecht eines Lieutenants. Ich bin hier am Tatort. Ich möchte, dass du es dir ansiehst.«
»Jetzt?«, fragte ich.
Allison legte das Buch hin.
»Gibt es ein Problem?«, sagte er. »Bist du keine Nachteule mehr?«
»Sekunde.« Ich bedeckte das Mundstück und sah Allison an.
»Fahr«, sagte sie.
»Wo?«, fragte ich Milo.
»Ein Katzensprung für dich«, antwortete er. »Bristol Avenue, Brentwood. Im Norden.«
»Eindeutig im Aufstieg begriffen, gesellschaftlich«, sagte ich.
»Wer, ich?«
»Der Übeltäter.«
Die Bristol Avenue war schön, mit alten Zedern bestanden, und die meisten Häuser waren die ursprünglichen im Tudor- und im spanischen Kolonialstil. Das Mordhaus war neu, ein neogriechisches Ding auf der Westseite der Straße. Drei Stockwerke, weiß und mit Säulen versehen, anderthalbmal so groß wie die benachbarten Villen, und man fühlte sich genauso herzlich willkommen geheißen wie von einer juristischen Fakultät. Ein kurz geschnittener grüner Rasen wies einen einzelnen, fünfzehn Meter hohen Sweet-Gum-Baum auf und sonst nichts. Hochspannungsbeleuchtung war nicht zu übersehen. Zu Fuß war es nicht weit zur Rockingham Avenue, wo O. J. Simpson auf seiner eigenen Zufahrt Blut vergossen hatte.
Ein Streifenwagen mit blinkendem Rotlicht blockierte die halbe Straße. Milo hatte dem uniformierten Cop meinen Namen genannt, und ich wurde lächelnd mit einem »Klar doch, Doc« durchgewinkt.
Das war eine Premiere. Vorrecht eines Lieutenants?
Vier weitere Streifenwagen standen neben zwei Lieferwagen der Spurensicherung und dem Auto des Gerichtsmediziners vor dem großen Haus. Der Himmel war mondlos und undurchdringlich. Alle Sternschnuppen waren verschwunden.
Der nächste Uniformierte, dem ich begegnete, präsentierte das standardmäßige Cop-Misstrauen, während er in sein Walkie-Talkie sprach. Schließlich: »Gehen Sie rein.«
Eine tonnenschwere Tür reagierte auf meine Fingerspitze – irgendeine pneumatische Hilfestellung. Als ich eintrat, sah ich Milo mit der Miene eines Tagesspekulanten auf mich zukommen, dessen Portefeuille gerade implodiert ist.
Im Eilschritt quer durch eine hundert Quadratmeter große marmorne Eingangshalle.
Das Foyer hatte eine sieben Meter hohe Decke, zehn Prozent davon Stuck und Schnörkelverzierung. Der Boden war aus weißem Marmor mit eingelassenen schwarzen Granitquadraten. Ein Kronleuchter aus Kristall
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