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Blutnacht

Blutnacht

Titel: Blutnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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verfeuerte genug Watt, um die Stromversorgung eines Dritte-Welt-Dorfes sicherzustellen. Die Wände waren aus grauem, mit aprikosenfarbenen Adern durchzogenen Marmor, der in faltenähnliche Tafeln geschnitten war. Drei Wände waren leer, eine war behängt mit einem ausgefransten braunen Gobelin – Jäger und Jagdhunde und üppige Frauen. Auf der rechten Seite schwang sich eine Marmortreppe mit Messinggeländer zu einem Korridor auf, an dessen Wänden Porträts von längst verstorbenen stoischen Menschen in vergoldeten Rahmen hingen.
    Milo trug eine ausgebeulte Jeans und ein zu großes graues Hemd und eine zu kleine Sportjacke mit Fischgrätmuster. Er passte ins Ambiente wie ein Furunkel zu einem Supermodel.
    Jenseits der Eingangshalle war ein viel größerer Raum. Holzboden, nackte weiße Wände. Reihen von Klappstühlen standen vor einem Podium, auf dem ein schwarzer Konzertflügel thronte. Mehrere schaufelförmige Apparate hingen an den Ecken der geschwungenen Holzdecke – eine Art akustischer Verstärkung. Keine Fenster. Flügeltüren verschmolzen im Hintergrund mit dem Putz.
    Ein Schild auf einem Sockel links neben dem Flügel mahnte: BITTE RUHE. Die Klavierbank war unter das Instrument geschoben worden. Notenblätter waren auf dem Ständer verteilt.
    Die Flügeltüren gingen auf, und ein gedrungener Mann Mitte sechzig kam zum Vorschein und trabte hinter Milo her.
    »Detective! Detective!« Er winkte mit den Händen und bemühte sich, ihn einzuholen.
    Milo drehte sich um.
    »Detective, kann ich die Leute nach Hause schicken? Es ist furchtbar spät.«
    »Haben Sie noch ein wenig Geduld, Mr. Szabo.«
    Die Hängebacken des Mannes zitterten und kamen zur Ruhe. »Ja, natürlich.« Er warf einen Blick auf mich, und seine Augen verschwanden in Nestern aus Runzeln und Falten. Seine Lippen waren feucht und purpurfarben, und sein Teint war nicht gut – fleckig und kupferrot.
    Milo stellte mich vor, ohne meinen Titel zu erwähnen. »Dies ist Mr. Szabo, der Eigentümer.«
    »Schön, Sie kennen zu lernen«, sagte ich.
    »Ja, ja.« Szabo nestelte an einem diamantenen Manschettenknopf und hielt mir die Hand hin. Seine Handfläche war warm, weich und feucht. Er war schlaff und pummelig und kahl bis auf rotbraunen Flaum über seinen Schlappohren. Sein Gesicht hatte die Form einer Aubergine aus guter Zucht, und die Nase in seinem Zentrum war eine kleinere Version des Gemüses – eine herabhängende, plumpe japanische Aubergine. Er trug ein formelles weißes Seidenhemd, das von halbkarätigen Diamantensteckern zusammengehalten wurde, einen rubinroten Kummerbund mit Paisleymuster, eine schwarze Smokinghose mit Satinstreifen und Lackslipper.
    »Armer Vassily, das ist schrecklicher als schrecklich. Und jetzt werden mich alle hassen.«
    »Sie hassen, Sir?«, fragte Milo.
    »Die Publicity«, sagte Szabo. »Als ich das Odeon baute, habe ich mir solche Mühe gegeben, nirgendwo anzuecken. Habe persönliche Briefe an alle Nachbarn geschrieben und allen versichert, dass nur Veranstaltungen im engsten Kreis und sehr selten welche zur Spendenbeschaffung stattfinden würden. Und immer mit äußerster Diskretion. Meine Politik ist immer konsequent gewesen: rechtzeitige Vorankündigung allen Anwohnern innerhalb eines Radius von zwei Querstraßen gegenüber, ausreichende Parkmöglichkeiten. Ich habe mir Mühe gegeben, Detective. Und jetzt das.« Er hob die Hände gen Himmel. »Ich muss besonders vorsichtig sein wegen Sie-wissen-schon-wem. Während des Prozesses war das Leben hier die Hölle. Aber abgesehen davon bin ich ein loyaler Brentwoodianer. Und jetzt das.« Plötzlich quollen Szabo die Augen aus dem Kopf. »Hatten Sie mit dem Fall zu tun?«
    »Nein, Sir.«
    »Nun, das ist gut«, sagte Szabo. »Falls ja, hätte ich wohl kein großes Vertrauen in Sie gesetzt.« Er sog Luft durch die Nase ein. »Das arme Odeon. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, weiterzumachen.«
    »Mr. Szabo hat einen privaten Konzertsaal gebaut, Alex. Das Opfer war der Pianist des heutigen Abends.«
    »Das Opfer.« Szabo legte eine Hand auf sein Herz. Bevor er etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür, und ein junger, geschmeidiger Asiate in einer engen schwarzen Satinhose, einem schwarzen Seidenhemd und mit einer roten Fliege eilte auf uns zu.
    »Tom!«, sagte Szabo. »Der Detective meint, wir müssen uns noch ein wenig gedulden.«
    Der junge Mann nickte. Er schien höchstens dreißig zu sein und hatte eine porenlose, straffe Haut, die unter einer dichten,

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