Blutnacht
älteren Gebäude schienen wie Drummonds schlecht in Schuss zu sein. Mehrere Steine in der Fassade fehlten, und ein gewelltes Stück Karton verdeckte ein Fenster im ersten Stock. Im Erdgeschoss boten rostige Gitter Schutz für die Eingangstür und die Fenster in Straßenhöhe. Das Schild für die Alarmanlage auf dem stoppligen kleinen Rasenstück war das einer schäbigen Firma, die es, wie Petra wusste, schon seit Jahren nicht mehr gab.
Auf der rechten Seite des Eingangs waren zwanzig Klingelknöpfe, die meisten ohne die dazugehörenden Namensschilder der Mieter. Auch Drummonds Apartment im ersten Stock war nicht mit seinem Namen gekennzeichnet. Die verbliebenden wiesen alle auf hispanische oder asiatische Herkunft hin.
Petra drückte auf Drummonds Klingel. Keine Reaktion. Sie versuchte es noch einmal, hielt den Finger lange auf dem Knopf. Nichts.
Apartment Eins war der Hausverwalter, G. Santos. Das gleiche Ergebnis.
»Versuchen wir’s bei den anderen zwei«, sagte sie.
Randolph Drummonds Haus am Wilton Place war ein pinkfarbenes Stuckungeheuer mit sechzig Wohneinheiten, das um einen trüben Swimmingpool gebaut worden war.
Drummonds Apartment lag im Erdgeschoss mit Blick auf den Verkehr. Hier gab es keine Sicherheitsgitter, nicht mal ein symbolisches Tor vor dem Durchgang, der zu dem Komplex führte, so dass Petra und Stahl direkt hindurch bis zu Drummonds Tür gingen.
Petras Klopfen wurde von einem dröhnenden »Moment noch!« beantwortet. Der Türknauf drehte sich, die Tür ging auf, und ein Mann, der sich auf Aluminiumkrücken stützte, fragte: »Was kann ich für Sie tun?«
»Randolph Drummond?«
»Wie er leibt und lebt.« Drummonds Oberkörper neigte sich zur Seite. Er trug einen braunen Pullover mit V-Ausschnitt über einem gelben Hemd, eine fleckenlose khakifarbene Hose und Filzpantoffeln. Seine Haare waren weiß und sauber gescheitelt, ein schneeweißer Bart bedeckte den unteren Teil eines breiten Gesichts. Müde Augen, von Falten durchzogene Haut, leichte Bräune. Ein behinderter Hemingway.
Petra hätte sein Alter eher auf vierundfünfzig als auf vierundvierzig geschätzt.
Mächtige Unterarme ruhten auf den Krücken. Ein großer Mann oberhalb der Taille, aber schmächtige Beine. Hinter ihm lag ein Wohnschlafzimmer – das Bett war mit einem seidenen Überwurf bedeckt. Was Petra sehen konnte, machte einen militärisch peniblen Eindruck. Die Klänge klassischer Musik – irgendwas Romantisches – strömten den Detectives entgegen.
Zeitverschwendung. Dieser Mann war kein Typ für ein Fan-Magazin. Sie sagte: »Dürfen wir reinkommen, Sir?«
»Darf ich fragen, warum?«, erwiderte Drummond. Joviales Lächeln, aber er wich keinen Zentimeter zurück.
»Wir ermitteln in einem Mordfall und suchen nach einem Mann, der sich Yuri Drummond nennt.«
Drummonds Lächeln erlosch. Er verlagerte sein Gewicht auf den Krücken. »Mord? Herrgott, warum?«
Seine Reaktion ließ Petras Herz schneller schlagen. Sie lächelte. »Könnten wir uns bitte drinnen unterhalten, Sir?«
Drummond zögerte. »Klar, warum nicht? Seit den letzten Weltverbesserern hatte ich niemanden mehr zu Besuch.«
Er wich auf seinen Krücken ein Stück zurück und gab den Weg frei, so dass Petra und Stahl eintreten konnten. Drinnen war die Musik lauter, aber nicht viel. Eine akzeptable Lautstärke – sie kam aus einem tragbaren Stereogerät auf dem Boden. Ein Zimmer, wie Petra es sich gedacht hatte, das mit dem Bett und zwei Sesseln und einer kleinen Einbauküche ausgestattet war. Ein winziges Badezimmer war hinter dem Bogen in der hinteren Wand zu erkennen.
Zwei Bücherregale aus Sperrholz, die rechtwinklig zum Bett standen, waren mit gebundenen Büchern voll gestellt. Romane und juristische Fachliteratur. Drummond war wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden; ein Autodidakt mit Gefängnisbildung?
Petra fragte: »Weltverbesserer?«
»Sozialhilfe-Zuhälter«, sagte Drummond. »Staatliche Zuwendungen, private Stiftungen. Ihr Name kommt auf eine Liste, und Sie werden ein potenzieller Kunde. Kommen Sie, machen Sie es sich bequem.«
Petra und Stahl nahmen jeweils auf einem Sessel Platz, und Drummond ließ sich auf dem Bett nieder. Das Lächeln blieb während dieser Prozedur, die einen schmerzhaften Eindruck machte, wie angewachsen auf seinem Gesicht. »Wer wurde denn gemordet, und warum sollte ich etwas darüber wissen?«
Petra fragte: »Haben Sie schon mal von Yuri Drummond gehört?«
»Klingt russisch. Wer ist das?« »Was ist mit
Weitere Kostenlose Bücher