Blutnacht
Juliet Kipper.«
»Was ist mit ihr los?«
»Kennen Sie sie?«
»Hab ich nicht gesagt.«
»Mit ihr ist nichts mehr los«, erwiderte Milo. »Sie ist ermordet worden.«
Der Augenbrauenring senkte sich, aber das Gesicht darunter blieb leer.
»Wow wow wow«, sagte sie und stand auf, ging hinüber zu dem Grafiker und tippte ihm auf die Schulter. Mit einem Ausdruck des Bedauerns zog er seine Kopfhörer herunter.
»Juliet Kipper. Haben wir etwas über sie gebracht?«
»Über wen?«
»Kipper. Tote Künstlerin. Sie ist ermordet worden.«
»Hmm«, sagte er. »Was für eine Künstlerin?«
Die junge Frau sah uns an.
Milo sagte: »Sie war Malerin. Man hat uns gesagt, Sie hätten über sie geschrieben, Ms. …«
»Patti Padgett.« Breites Lächeln. Ein nicht eben kleiner Diamant war in ihren linken oberen Schneidezahn eingelassen.
Milo erwiderte das Lächeln und holte seinen Notizblock heraus.
»Da haben wir’s«, sagte Patti Padgett. »Ich wollte schon immer eine Rolle in einer offiziellen Polizeiakte spielen. Wann haben wir angeblich über die verstorbene Ms. Kipper geschrieben?«
»Innerhalb der letzten Monate.«
»Nun, dadurch wird die Auswahl kleiner«, sagte sie. »Wir haben in sechs Monaten nur zwei Hefte herausgebracht.«
»Erscheinen sie vierteljährlich?«
»Wir sind pleite.« Patti Padgett kehrte an ihren Schreibtisch zurück, zog eine Schublade auf und begann zu stöbern. »Mal sehen, ob Julie sich unserer Aufmerksamkeit … wie ist sie gestorben?«
»Sie wurde erwürgt«, antwortete Milo.
»Ooh. Haben Sie eine Ahnung, wer es getan hat?«
»Noch nicht.«
»Noch«, sagte Padgett. »Mir gefällt Ihr Optimismus – die größte Generation und so weiter.«
Hummelhemd sagte: »Das war der Zweite Weltkrieg, Patricia, er ist Vietnam.« Er schaute zu uns hinüber, als wartete er auf eine Bestätigung. Empfing ausdruckslose Blicke, setzte seine Kopfhörer wieder auf und nickte mit wippenden Dreadlocks.
»Egal«, sagte Padgett. »Da wären wir. Vor drei Monaten.« Sie legte das Heft auf ihren Schoß und begann zu blättern. Nicht viele Seiten zwischen den Umschlägen. Es dauerte nicht lange, bis sie sagte: »Oka-ay! Hier ist sie, direkt in unserer ›Mama/Dada‹-Abteilung … klingt so, als hätte sie jemandem gefallen.«
Sie brachte uns den Artikel.
»Mama/Dada« war ein Kompendium kurzer Artikel über lokale Künstler. Juliet Kipper teilte sich die Seite mit einem emigrierten kroatischen Modefotografen und einem Hundetrainer, der nebenbei als Videokünstler arbeitete.
Der Artikel über Julie Kipper bestand aus zwei Absätzen, erwähnte das viel versprechende Debüt in New York, das Jahrzehnt »persönlicher und künstlerischer Enttäuschungen«, die »angestrebte Wiedergeburt als nihilistische Vermittlerin kalifornischer Träume und ökologischer Schäume«. Nichts von dem, was ich in Kippers Landschaften gesehen hatte, suggerierte in meinen Augen Nihilismus, aber was wusste ich schon?
Kippers Arbeit, schloss der Autor, »macht deutlich, dass ihre Vision mehr von einem Päan auf den paradoxen Holismus eines Wunschdenkens hat als von einem ernsthaften Versuch, die photosynthetische Dissonanz, den Aufruhr und die Mulch-Agitation zu konkretisieren und zu kartographieren, die andere Westküstenmaler in ihren Bann geschlagen hat.«
Autorenkürzel: FS
»Mulch-Agitation«, murmelte Milo und warf mir einen Blick zu.
Ich schüttelte den Kopf.
Patti Padgett sagte: »Ich glaube, es bedeutet, Dreck herumzuschieben oder etwas in der Art. Total nebulosa, stimmt’s?« Sie lachte. »Das meiste Kunstzeug, das wir drucken, ist so wie das hier. Möchtegern-Kritiker ohne die Fähigkeit, auf den Talentzug aufzuspringen.«
Milo sagte: »›Blutegel am Leib der Kunst.‹«
Padgett starrte mit unverhüllter Bewunderung zu ihm hoch. »Möchten Sie einen Auftritt?«
»Nicht in dieser Rotation.«
»Hindu?«
»Wodu.«
Padgett wandte sich an Hummelhemd: »Sei gewarnt, Todd. Ich bin verliebt.«
Milo fragte: »Wenn Ihnen die Schreibe nicht gefällt, warum drucken Sie’s dann?«
»Weil es da ist, mon gendarme. Und ein Teil unserer Leserschaft steht drauf.« Sie stieß erneut ein Lachen aus und setzte ein metallenes Ringelspiel in Gang. »Mit unserem Budget sind wir nicht gerade der New Yorker, Schätzchen. Unser Schwerpunkt – mein Schwerpunkt, denn was mir gefällt, erblickt das Licht der Welt – ist eine Menge Mode, etwas Innenarchitektur, ein bisschen Film, ein bisschen Musik. Wir werfen den Kunstszenescheiß
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