Blutnacht
wollte er ausspucken. »Die Kunstszene, ich … wie war gleich der Name des Magazins … irgendwas mit Scene, ein oberschlauer Name … sie hat mir ein Heft gezeigt. Kam mir platt und uninteressant vor, aber ich habe nichts gesagt, weil Julie so begeistert war … Scene … SeldomScene oder so. Und jetzt muss ich weg.«
Er drehte sich um und ging davon. Die Schöße seines Jacketts blähten sich. Kein Lüftchen regte sich auf dem Platz. Er sorgte für seine eigenen Turbulenzen.
SeldomSceneAtoll war mit einer Adresse in West Hollywood aufgeführt, auf dem Santa Monica unweit des La Cienega Boulevard, und das Haus stellte sich als ein echtes Bürogebäude heraus – zweistöckig, schokoladenbraune Ziegel, eingezwängt zwischen einem Blumenladen und einem Einkaufszentrum mit vielen Autos und gereizten Menschen davor. Milo stellte den zivilen Einsatzwagen auf einem Lieferantenparkplatz des Einkaufszentrums ab, und wir betraten das Gebäude durch eine Tür, auf der ein Schild mit der Aufschrift KEINE BITTSTELLER prangte.
Das Firmenverzeichnis führte Theateragenturen, Ernährungswissenschaftler, eine Yogaschule, Betriebswirte und in einer Suite im ersten Stock JAGUAR TUTORIEN/SSA auf.
»Eine Bürogemeinschaft«, sagte ich. »Kein Medienimperium.«
»Jaguar-Tutorien«, sagte Milo. »Was heißt das, sie bilden dich zu einem Raubtier aus?«
Das Ambiente sprach nicht dafür, dass einer der Bewohner es zu Starruhm/Gesundheit/Reichtum gebracht hatte: schäbige graue Flure, schmutziger grauer Teppichboden, ausgedörrte Sperrholztüren, ein Geruch, der auf eigenwillige sanitäre Anlagen schließen ließ, ein Aufzug, dessen Lichter auf einen Knopfdruck nicht reagierten.
Wir nahmen die Treppe, atmeten Insektizide ein und tanzten um Überreste toter Kakerlaken herum.
Milo klopfte an die Jaguar/SSA-Tür, wartete nicht auf eine Antwort und drehte den Knauf. Auf der anderen Seite war ein kleiner einzelner Raum, in dem vier bewegliche Arbeitsplatzstationen verteilt waren. Niedliche kleine Computer in vielfarbigen Gehäusen, Scanner, Drucker, Fotokopierer, Geräte, die ich nicht identifizieren konnte. Stromführende Linguine schlängelten sich auf dem Vinylboden.
Die Wände waren mit Vergrößerungen von gerahmten SSA-Umschlägen bedeckt, die alle von der gleichen Art waren: bösartig ausgeleuchtete Fotos von jungen, unterernährten, schönen Menschen, die sich in körperbewusster Kleidung herumlümmelten und Verachtung für das Publikum ausstrahlten. Jede Menge Vinyl und Gummi; die Klamotten sahen billig aus, erforderten wahrscheinlich aber eine Hypothek.
Männliche und weibliche Models, Nofretete-Augenmake-up für beide. Purpurfarbenes Rouge auf den Wangen der mageren Frauen, Viertagebärte bei ihren männlichen Pendants.
Ein dunkelhäutiger Mann Ende zwanzig mit Dreadlocks, der ein schwarz und hummelgelb gestreiftes T-Shirt und gelbe Cargohosen trug, hockte vor dem nächsten PC und tippte nonstop. Ich warf einen Blick auf seinen Bildschirm. Grafik; Escher via Tinkertoys. Er beachtete uns nicht oder hatte uns nicht bemerkt. Minikopfhörer produzierten etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte.
Die beiden mittleren Stationen waren nicht besetzt. Am letzten Computer saß eine junge Frau Mitte zwanzig, die ebenfalls aural verstöpselt war, und las People. Sie war pummelig und milchgesichtig, trug einen schwarzen Lackleder-Overall und rote Moonwalker-Schuhe und nickte zu etwas, das ein Dreivierteltakt zu sein schien. Ihre Haare waren von einem unauffälligen Braun und mit Haarspray zu einer Fünfzigerjahre-Frisur aufgebauscht. Sie drehte sich zu uns um, zog eine Augenbraue hoch – eine tätowierte Augenbraue –, und der dicke Stahlring, der durch die Mitte des Bogens gepierct war, schnellte nach oben und fiel mit einem Klick wieder nach unten. Die Schlaufe in ihrer Oberlippe blieb an ihrem Platz. Ebenso die zahlreichen Stecker in ihren Ohrläppchen und das schmerzhaft aussehende kleine Knöpfchen in der Mitte ihres Kinns.
»Was ist?«, rief sie. Dann riss sie die Kopfhörer herunter, nickte aber weiter mit dem Kopf. Eins zwei drei, eins zwei drei.
»Was ist?«, wiederholte sie.
Milos Abzeichen entlockte ihr tätowierte Zwillingsbögen. Der Umriss ihres Mundes war ebenfalls permanent eingefärbt worden.
»Und?«, sagte sie.
»Ich suche nach dem Verleger von SeldomSceneAtoll.«
Sie klopfte sich auf die Brust und gab Affenlaute von sich. »Sie haben ihn gefunden.«
»Wir suchen nach Informationen über eine Künstlerin,
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