Blutnächte - 2
hättest auf mich hören sollen. Dann säßen wir jetzt nicht beide in der Falle.“
Isabella zog eine Schnute. Natürlich hatte er recht. Aber was hätte sie sonst tun sollen? Ihn einfach so gehen lassen? Sie hätte vermutlich tagelang allein zu Hause gesessen und auf seine Rückkehr gewartet. Und wäre er jemals zurückgekehrt?
Hilflos zerrte sie an ihren Fesseln. Allerdings erreichte sie dadurch nur weitere Schmerzen in ihren Handgelenken. Ihre Haut war bereits wund gescheuert. Vermutlich würde die Gefangenschaft sie für den Rest ihrer Tage zeichnen – vorausgesetzt, sie kam jemals wieder frei. Dieser Gedanke ließ sie verzweifelt aufstöhnen.
„Pascal?“ Ihre Stimme nahm einen kläglichen Tonfall an.
Er drehte ihr das Gesicht zu. Seine Augen hatten nichts von dem faszinierenden hellen Glanz verloren, und mittlerweile wirkte sein Blick auch viel freundlicher. Geradezu warm. Seine wunderbaren, weichen Lippen formten sich zu einem Lächeln. Sie stellte sich vor, wie sie sich zu ihm hinüberbeugte und seinen Kuss empfing. Wie sie leidenschaftlich mit ihm verschmolz. Aber alles an ihrer Situation hinderte sie daran. Ihr blieb nichts als ein enttäuschtes Aufseufzen und die Hoffnung, sich wenigstens in der ewigen Verdammnis seiner Berührungen gewiss sein zu können.
„Isabella?“ Er hauchte ihren Namen, so dass sein Atem ihre Wangen streifte.
Sie erschauderte.
„Es tut mir leid“, wisperte sie. „Ich wollte doch nur in deiner Nähe sein.“
Dieser Satz traf ihn mehr als jeder Schmerz. Es war ihm nicht klar gewesen, wie sehr er diese Worte ersehnt hatte. Er gestand sich ein, dass auch er in ihrer Nähe sein wollte. Mehr als alles andere. Sie hatte es geschafft, ihn vollkommen für sich zu vereinnahmen.
„Es ist in Ordnung. Wir kommen hier schon irgendwie wieder raus“, sagte er. Dabei hatte er keine Ahnung, wie er sein Versprechen in die Tat umsetzen sollte.
Er wollte ihr einfach nur einen Funken Hoffnung schenken.
Mit dieser Hoffnung lehnte sie sich zurück gegen die kalte, dreckige Wand. Sie verdrängte den fauligen Gestank des Kerkers. Einzig Pascals warme, beruhigende Nähe erfüllte sie, auch wenn sie diese im Moment nicht tatsächlich spüren konnte.
~~~
Nach der Befreiung durch Pascal hatte Alice den Club Noir nicht verlassen. Vielmehr hatte sie sich weiterhin vergnügt. Friedlich schlummernd ruhte sie in den Armen eines Vampirs, mit dem sie es an diesem Abend zum allerersten Mal getrieben hatte. Behutsam streichelte er über ihr blondes Haar. Sein Einfühlungsvermögen überraschte sie. Nach seinem zuvor eher animalischen Verhalten hatte sie nicht mit dieser ausgleichenden Sanftmut gerechnet.
Ihre Glieder fühlten sich noch immer schlaff an. Der Vampir hatte viel Blut von ihr genommen. Mehr als üblich. Sein Verhalten kam ihr allgemein merkwürdig vor. Er hatte ihr nicht im Anschluss an ihr Liebesspiel die gewöhnliche Bezahlung zugesteckt und sich aus dem Staub gemacht, sondern saß gemütlich mit ihr in den mit Samt bezogenen Kissen der Sitzecke. Auch niemand sonst störte sich daran, forderte ihn auf, von ihr abzulassen oder die Regeln einzuhalten. Etwas im Club war anders.
Eine ganze Weile lag sie regungslos dort. Es kam ihr schon vor, als wäre die Nacht längst vorüber. Ihr Zeitgefühl war vollkommen durcheinander. Die dröhnenden Laute der Musik sagten ihr jedoch, dass sich weiterhin Gäste im Club aufhielten und tanzten und hemmungslos feierten.
Gerade wollte sie sich zurücklehnen und dem angenehmen Schlummer verfallen. Nur für einen kurzen Moment. Da spürte sie allerdings das Nahen der finsteren Gestalten. Die bedrohlichen Schatten schlossen sich über ihrem Kopf zusammen. Dunkelheit hüllte ihren Körper ein. Fremde Hände hoben sie auf und schleiften sie mit sich fort.
Sie hatte keine Ahnung, was um sie herum geschah. Vielleicht schlief sie längst und wurde von einem Alptraum heimgesucht. Sie tat nicht mehr, als sich der Situation zu ergeben.
Man schob sie durch die Menschenmenge. Mehrere Augenpaare richteten sich auf sie. Die meisten zeigten allerdings nur ein schiefes Lächeln oder beachteten sie gar nicht erst. Viel zu sehr waren sie in ihre eigenen lustvollen Aktivitäten versunken.
Allmählich ließ das Dröhnen der eindringlichen Musik nach. Es wurde stiller. Die unbekannten Gestalten führten sie in einen schwach beleuchteten Gang. Niemand hielt sich dort auf. Es herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Alice konnte sich nur sehr vage an diesen Teil des
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