Blutnebel
nur, ich habe mir diesen Nachmittag extra Zeit für einen netten Besuch genommen, und jetzt, nun ja, jetzt ist es schon ziemlich spät. Howard ist zu Hause. Und du weißt ja, dass es ihn immer aufregt, wenn er dich sieht.«
Etwas in ihm wurde kalt. »Großvater geht es gut, Mama. Er wird sich freuen, dass du nach ihm gefragt hast.«
Ihre braunen Augen richteten sich abrupt wieder auf seine, und sie besaß immerhin genug Anstand, um rot zu werden. »Also, wie redest du denn mit mir, Devlin? Als ob ich mich nicht genug um die Gesundheit meines eigenen Vaters sorgen würde. Ich rufe ihn an, bevor Howard und ich heute Abend ausgehen.«
»Ich halte dich nicht lange auf.« Er schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und fragte sich, warum es ihm so schwerfiel, mit seiner eigenen Mutter zu sprechen. Oder überhaupt etwas für sie zu empfinden, abgesehen von einer pflichtbewussten Form von Liebe, die nichts mit verdienter Zuneigung zu tun hatte. »Es geht um die Nacht damals. Die Nacht, in der sie Daddy verhaftet haben.«
Ihr Gesicht wurde so weiß wie ihr Kleid, und ihre Stimme klang ein bisschen schrill. »Also ehrlich, Devlin, das hatten wir doch neulich erst. Ich habe dir alles gesagt, was ich weiß, und es gefällt mir nicht, dass du das alles wieder ausgräbst!«
Er verlagerte das Gewicht auf die Fersen und musterte sie. »Genau das hast du leider nicht getan. Du hast dich geweigert, darüber zu reden, schon vergessen?«
Celia Ann hatte ein flexibles Gedächtnis, ganz nach Bedarf. »Ich kann mich absolut nicht erinnern. Wir hatten eine lange Debatte und …«
»Expolizeichef Kenner scheint der Meinung zu sein, dass du eine Unklarheit über diese Nacht beseitigen kannst.« Aus Höflichkeit ergriff er ihren Arm, als sie ins Wanken geriet, doch sie schüttelte seine Berührung ab, als würde sie brennen. »Er meinte, er hätte etwas aus dem Polizeibericht herausgelassen, um dich nicht in Verlegenheit zu bringen. Etwas, das damit zu tun hat, warum mein Daddy in dieser Nacht so viel getrunken hat.«
»Ich habe keine Ahnung, was er damit meint.« Mittlerweile hatte ihr Gesicht wieder Farbe bekommen. Zwei rote Flecken prangten auf ihren Wangen. »Und ich lehne es ab, dieses Gespräch mit dir zu führen.«
Dev nickte bedächtig. »Das ist dein gutes Recht.« Und ihre altbekannte Methode, um Unangenehmem auszuweichen. »Dann gehe ich eben direkt zu John Kenner. Bestimmt hat er nichts dagegen, es mir zu erzählen.«
Sie leckte sich die Lippen. Schaute zum Haus und wieder weg. Als Dev ihrem Blick folgte, sah er eine Jalousie wackeln. »Es ist schon so lange her.«
»Ich nehme nicht an, dass es etwas ist, was du vergessen hast.«
»Du musst mich verstehen. Ich war jung. Noch jünger als du heute. Mit einem Kleinkind, das ständige Aufmerksamkeit forderte. Und Lucas hat sich Tag und Nacht abgerackert, um mehr Geld zu verdienen. Ich wäre auch gut mit weniger ausgekommen«, fügte sie hastig hinzu.
»Natürlich«, murmelte er sarkastisch. Celia Ann war höchst anspruchsvoll, eine Eigenschaft, die sie bereits damals besessen hatte.
Ihre makellosen Nägel glitzerten auf dem Stoff, als sie ihr Kleid glatt strich. »Ich habe damals einen Fehler gemacht, Devlin. Ich bin wirklich nicht stolz darauf, aber es gab so viele Faktoren, die mich dazu getrieben haben.«
Sein gesamter Organismus wurde langsamer. Blutkreislauf. Herz. Lunge. Eine entsetzliche Vorahnung machte sich in ihm breit.
»Ich habe diese Stadt leidenschaftlich gehasst, schon als ich dort aufgewachsen bin«, sagte sie mit einem Lodern in den Augen. »Die Leute dort reden mehr, als sie arbeiten. Und es hatte Gerede gegeben … Lucas hat behauptet, es sei nicht wahr, aber das hat manche Leute nicht davon abgehalten, es trotzdem zu wiederholen. Angeblich soll er derjenige gewesen sein, der vor Sally Ann Porters Verschwinden mit ihr gesehen wurde. Sogar ihre Mutter Jessalyn hat ihn danach gefragt.« Sie hob eine Hand zum Herzen. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mir zugesetzt hat, als ich das gehört habe. Und ich mich fragen musste, ob es stimmte, dass Lucas mir untreu war.«
In seinem Gehirn formte sich ein hässliches Bild. »Also hast du beschlossen, es ihm heimzuzahlen. Nur für den Fall, dass es stimmte.«
Celia Ann zögerte. »Es gab einen Mann, der in mich verliebt war. Es spielt keine Rolle, wer es war, und wir haben uns auch nicht oft getroffen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, von denen er gern geglaubt hätte, dass sie echt waren.
Weitere Kostenlose Bücher