Blutnebel
würde auf seine Aussagen irgendetwas geben, schon gar nicht bei etwas so Gravierendem wie einem Mord.«
»Vielleicht nicht.« Doch insgeheim nahm sie sich vor, Rollins später danach zu fragen.
»Also.« Er wandte sich ihr nun frontal zu, während ein leises Lächeln seine Lippen umspielte. »Was Ihre Unbeliebtheit hier in der Gegend betrifft … da könnte ich Ihnen wahrscheinlich weiterhelfen.«
Sie musterte ihn argwöhnisch. »Danke, nicht nötig.«
»Ach, wirklich?« Er zog die Brauen hoch. »Und wie wollen Sie zu einem vertraulichen Gespräch mit Donnelle kommen, um mehr über die Legende zu erfahren?«
Ramsey reckte den Hals, um zu sehen, ob schon irgendwelche vertrauten Gerichte auf der Küchentheke standen. »Die Information ist ja nicht unerlässlich für die Aufklärung des Falls.« Es war Hintergrund, weiter nichts. Füllmaterial, das Verhalten und Überzeugungen der Leute erklärte, was wiederum, wenn man es sich genau überlegte, Einfluss darauf ausüben könnte, was sie der Polizei erzählten.
Vicki stellte einen Stapel Einwegbehälter vor Ramsey ab. »Das macht dann neun fünfzig. Sie können entweder an der Kasse bezahlen oder gleich mir das Geld geben.«
Ramsey fischte einen Zehner und zwei einzelne Dollarscheine aus der Tasche und reichte sie der Frau. »Danke.«
»Und Ihnen noch einen schönen Tag«, wünschte die Bedienung, während sie bereits loseilte, um einen neuen Gast zu begrüßen.
»Es erstaunt mich, dass Sie so denken, nach dem, was gestern Abend passiert ist.«
Sie stand auf und griff nach den Behältern. »Warum, was ist denn passiert?«
Er nickte mit dem Kopf zu dem vollen Lokal hinter ihnen. »Haben Sie denn nicht zugehört? Fast die ganze Stadt redet darüber. Beau Simpson hat sich gestern Abend umgebracht.«
Sie hielt inne und sah ihn an. »Und wer ist Beau Simpson?«
»Er hat den Haushaltswarenladen hier an der Main Street. Hat ihn vor ein paar Jahren von seinen Eltern übernommen. Netter Typ. Fleißig.« Seine Miene war ungewöhnlich düster. »Hinterlässt eine Frau und ein kleines Mädchen.«
»Tragisch, aber was hat das mit mir oder dem Fall zu tun?«
»Es ist der zweite Todesfall, nachdem der rote Nebel gesichtet wurde. Das sagen jedenfalls die Leute.« Vicki stellte ihm seinen Teller hin, worauf er sich lächelnd bedankte, ehe er sich wieder Ramsey zuwandte. »Und falls Sie die Leute bisher schon verschlossen fanden, dann werden sie jetzt erst recht zugeknöpft sein. Zumindest diejenigen, die an die Legende glauben. Und die anderen, die nicht daran glauben, aber kein Risiko eingehen wollen.«
Neugierig geworden, rutschte sie an die Kante ihres Hockers vor und sah ihn an. »Und warum das?«
Er griff nach dem Ahornsirup und verteilte ihn großzügig auf seinem Stapel Pfannkuchen. »Weil der Legende nach die Todesfälle – manche nennen sie Morde, aber das lässt sich historisch nicht unbedingt belegen – immer im Dreierpack auftreten. Und manche glauben sogar, dass die anschließenden Todesfälle deshalb passieren, weil Leute Fragen stellen und Dinge aufrühren, die man lieber unangetastet gelassen hätte.«
»Mord also einfach ignorieren, in anderen Worten.«
»Ich hab nicht gesagt, dass ich damit einverstanden bin. Ich schildere Ihnen nur, wie manche Leute hier in der Gegend denken.« Er hob einen Bissen zum Mund und kaute, wobei er genüsslich die Augen schloss. »Donnelle ist die richtige Ansprechpartnerin, wenn Sie die ganze Geschichte und sämtliche Versionen der Legende hören wollen«, fuhr er fort, nachdem er hinuntergeschluckt hatte. »Dabei kann ich Ihnen helfen. Sie haben ja gehört, dass sie mich aufgefordert hat, sie morgen im Museum zu besuchen. Ich könnte Sie mitnehmen. Sie öffnet sich vielleicht keiner Fremden, aber mit mir redet sie bestimmt.«
»Vielleicht spricht sie auch mit mir, wenn ich morgen allein hingehe.«
Er verspeiste den nächsten Happen und griff nach seinem Saftglas. »Vielleicht.«
Sie hörte den Zweifel in seiner Stimme. Wenn sie an die freundlich verpackte Abfuhr dachte, die die Frau ihr vorhin erteilt hatte, zweifelte sie ebenfalls daran. »Oder vielleicht könnte ich Leanne bitten, irgendwie zu vermitteln.«
»Das macht sie sicher gern. Falls Sie sich von ihr die Haare frisieren lassen. Wahrscheinlich müssen Sie auch noch eine Maniküre und eine Pediküre machen lassen, aber die meisten Frauen stehen ja ohnehin auf so was, also ist es keine allzu schlimme Tortur.«
Sie studierte seine allzu unschuldige Miene.
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