Blutnebel
Strategie allerdings noch nicht zu einem nennenswerten Erfolg geführt.
Da sie nicht mit einem Y-Chromosom geschlagen war, machte es ihr nichts aus, nach dem Weg zu fragen. Sie hatte nicht lange gebraucht, um darauf zu kommen, dass sie die Adressen auf ihrer Liste am schnellsten fand, wenn sie sich an einer Tankstelle oder bei einer Passantin auf der Straße erkundigte. Als sie eine Frau sah, die im Garten ihre Blumen goss, fragte sie diese und wurde zu einem hübschen kleinen Salon um die Ecke von der Hauptdurchgangsstraße geleitet.
Doch die Besitzerin von Pine Creek Nails schüttelte den Kopf, als sie das Bild der Frau sah. »Nein, sie kommt mir nicht bekannt vor. Sie ist auf jeden Fall keine meiner Stammkundinnen, und ich würde mich an eine Laufkundin erinnern, die erst neulich hier gewesen ist. Eine French Manicure, sagen Sie?« Die Nagelexpertin beäugte das Bild noch einmal. »Das wird bei mir nicht oft verlangt. Haben Sie es schon bei Susie im Look Sharp versucht? Das ist nur ein paar Blocks westlich von hier.«
»Da schaue ich als Nächstes vorbei, vielen Dank.« Nachdem sie eine Kopie der Zeichnung und ihre Karte dagelassen hatte, kehrte Ramsey zu ihrem Auto zurück. Als ihr Mobiltelefon klingelte, erkannte sie Matthews’ Nummer auf dem Display und nahm ab. Sie hatte ihm, ehe sie wegfuhr, eine Liste der Nagelstudios vorbeigebracht und ihn gebeten, die Studios auf der anderen Seite von Buffalo Springs abzuklappern. »Bitte sagen Sie, dass Sie mehr Glück hatten als ich.« Das Telefon noch am Ohr, fuhr sie los und steuerte das andere Nagelstudio an.
»Schon möglich.« Matthews klang bereits wesentlich besser als am Vormittag, also hatte sich sein Kater wohl gelegt. »Ich bin in Tallulah Falls, etwa dreißig Meilen nordwestlich von Buffalo Springs. Und ich habe hier eine Salonbesitzerin, die glaubt, in der Zeichnung eine Frau zu erkennen, die vor zwei Wochen bei ihr war. Das Problem ist nur, dass sie schwört, dass die Frau, die sie behandelt hat, keine Tätowierungen hatte. Sie sagt, sie hätten darüber geredet und wären sich beide darin einig gewesen, dass sie dafür nichts übrig haben.«
»Das Opfer kann ja auch gelogen haben«, sagte Ramsey nachdenklich. »Die Tätowierungen sind nicht neu, sagt der Rechtsmediziner. Seiner Schätzung nach ist die auf dem Rücken etwa zwei Jahre alt und die am Knöchel noch älter.«
»Jedenfalls bin ich noch hier, während die Besitzerin gerade mit ihren Mitarbeiterinnen spricht, um auf den Namen der Frau zu kommen. Wenn er ihnen einfällt, bleibe ich hier und forsche weiter nach; vielleicht kann ich ja herausfinden, wo sie gewohnt und gearbeitet hat.«
»Sehr gut.« In ihr regte sich leises Interesse. »Halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Ramsey wusste, dass sie nicht alle Hoffnungen auf die Spur setzen durfte, die Matthews verfolgte, doch sie war vielversprechender als alles, was sie heute sonst erreicht hatte. Ihr Glück hielt an, als die nächste Studiobesitzerin zwar die Frau auf der Zeichnung nicht erkannte, ihr aber von einer Kollegin erzählte, die bei sich zu Hause Nägel verschönerte. Dort hatte Ramsey allerdings auch nicht mehr Glück, und so hakte sie die Stadt ab und fuhr in die nächste, nachdem sie auf dem Weg zur Schnellstraße am Drive-in-Schalter eines Imbisslokals haltgemacht hatte.
Während sie Pommes und einen Hamburger verzehrte, dachte sie an die Tätowierungen, die Matthews erwähnt hatte. Sie würden deren Herkunft nachgehen, falls diese Spur ebenfalls im Nichts verlief, doch Tätowierungen waren notorisch schwer zurückzuverfolgen. Die Leute ließen sie sich nicht unbedingt dort machen, wo sie wohnten, sondern brachten sie oft als Souvenir aus dem Urlaub mit. Ramsey konnte zwar nicht nachvollziehen, warum man das Risiko einging, Hepatitis als Souvenir mitzubringen, doch die Geschmäcker waren eben verschieden.
Es würde schwierig werden, den Tattoo-Künstler ausfindig zu machen und Aufzeichnungen zutage zu fördern, die weit genug zurückreichten, um das Opfer zu identifizieren, vor allem da keines der Tattoos besonders ausgefallen war. Ramsey wusste aus Erfahrung von anderen Fällen, dass Tattoo-Studios meist schnell wieder zumachten, sodass sie noch schwerer aufzuspüren waren. Falls der Identifizierungsprozess darauf hinauslief, dass sie die Herkunft der Tattoos ermitteln mussten, würde das Ganze zu einer Übung in Frustration ausarten.
Den Blick auf den Spiegel gerichtet, trat sie aufs Gaspedal. Es war schon fast
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