Blutorangen
süßer, sehr männlicher Bulle. Als ich im Krankenhaus lag, rief er mich von seinem Mobil-Telefon an, um zu fachsimpeln, zu sprechen und ließ mich alle Schmerzen vergessen. Er beendete das Gespräch immer mit einer schlüpfrigen Bemerkung, um mich daran zu erinnern, daß ich immer noch eine Frau bin. Raymond und ich könnten schon Zusammenkommen, glaube ich, aber es wäre geplant und nicht spontan.
»Sieh’ mal wer da kommt«, sagte er und sah mich mit Wohlwollen von oben bis unten an. In der Woche zuvor hatte ich mir eine anthrazitfarbene Lederjacke auf Kreditkarte gegönnt. Unter der Jacke trug ich eine rote Bluse, von der er nur den Kragen sehen konnte, schwarze Hosen und die guten alten Zehn-Zentimeter-Pumps.
»Sheena Easton, hallo hier bin ich. Womit haben wir diese Ehre verdient, Raymond?« Ich sah sein Klemmbrett auf der Motorhaube liegen. »Du wirst dem süßen Ding noch einen Kratzer verpassen, wenn du nicht aufpaßt.«
»Niemals.« Er nahm es mit einer besonders langsamen Bewegung hoch, ohne zu ziehen, es sollte keinen Kratzer auf seinem Auto geben. »Was ich hier mache? Ich passe auf meine Lady auf.«
»Fahr’ auf den Freeway und halte ein paar Raser an.« Ich nickte ihm zu und sagte, »Schau’ sie dir an, wie sie hundertdreißig fahren.« Man konnte die ganzen Südkalifornier vorbeirauschen sehen, bis sie zu einem Stoppschild kamen, das anderthalb Kilometer vor ihnen lag, was sie genausogut wußten wie ich, aber so fährt man die Strecke eben, wenn man kein Feigling aus Minnesota sein will. »Und du stehst hier ‘rum und trinkst Kaffee und flirtest mit mir. Wo sind die Doughnuts?«
Ich bin nicht so gefühlskalt, wie es sich anhört. Ein paar Meter entfernt ist ein blutiger Tatort, und ich rede über Doughnuts, wo doch gerade ein Junge gestorben ist. So ist das Leben, das ist alles.
Er schüttete den Kaffeerest im Bogen auf den Boden und zog ein Gesicht. »Ziemlich fettig heute morgen. Willst du zu Denny’s gehen?« Er fragte, obwohl er wußte, daß ich nein sagen würde. Er wollte wohl nur wissen, ob ich bereit war, rein zu gehen. Joe mußte ihn angerufen haben. Und dann sagte er: »Dein Chef hat es mir gesagt.«
»Das gilt doch wohl auch für die Spurenschnüffler.«
»Was?« Ray versteckte seine Hände in seinen Jackentaschen. Er sah oft zur Straße, um zu sehen, wer vorbei fuhr, welches Auto die Leute fahren, die vielleicht zurückkommen, um zu sehen, was für ein Blutbad sie gestern angerichtet haben.
»Telefoniere, schick’ ein Fax, oder sag’ es gleich einem Bullen. Was soll dieses verdammte Gehabe, glaubt er, man muß mir die Hand halten?«
Der Wagen eines Sheriffs fuhr vor. Es war Sergeant Gary Svoboda mit Bud Peterson vom gerichtsmedizinischen Labor. »Ich muß gehen,« sagte ich.
»Nimm es nicht persönlich«, sagte Raymond. »Joe kümmert sich nur um seine Crew. «
»Schönen Tag noch, Raymond.« Es klang ärgerlicher als ich es meinte. Ich drehte mich um und sagte, »Hey, ich habe jetzt ein Telefon in meinem Auto.«
»Ein Telefon? Wie schick.«
»Mein Auto hat schon reichlich viele Kilometer auf dem Buckel. Wer will schon am Seitenstreifen des Freeway anhalten, wo tausende Autos vorbeirasen, und nach einem Telefon suchen, um Hilfe zu holen? Auch wenn der Bulle von der HP, der einem immer zu Hilfe kommt, schöne dunkle Augen hat und einen gestählten Körper!« Er lachte, und schrieb sich meine Nummer auf.
Das Band war immer noch über die Tür gespannt. Das Schloß war kaputt und es war niemand da. Ich sah Joes Wagen ganz am Ende der rechten Seite des Gebäudes unter einem großen Eukalyptusbaum stehen.
Svoboda kam auf mich zu. Er kann ein Arschloch sein, aber ein harmloses.
»Gary, was machst du denn hier?«
»Dies hier ist ein kleines Gebiet, das Leute nicht so gut kennen. Es ist auch ein Polizist von Costa Mesa hier. Er war zuerst am Tatort.«
Einige Städte in der Gegend arbeiten mit der Kripobehörde des Sheriffs zusammen, aber nicht Costa Mesa. Der Polizist am Tatort erledigt die Telefonate, die Voruntersuchung und das Absichern des Tatortes, aber wenn die Jungs vom Sheriff hier sind, werden die Aktivitäten von ihnen überwacht, wenn es in ihren Bereich fällt. Bud Peterson, der mit Gary aus dem Auto stieg, war aus unserem Labor. Ich war nicht gerade begeistert, ihn zu sehen.
Svoboda sagte: »Das wird die Anzahl der Notrufe in diesem Jahr auf neunhundert bringen, meinst du nicht?« Ich konnte hören, wie er auf der leichten Anhöhe der Einfahrt keuchte. Er
Weitere Kostenlose Bücher