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Blutorangen

Blutorangen

Titel: Blutorangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Ayres
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und starrte direkt hinein. Er hatte eine Augenfarbe, die an das Meer im Winter erinnert — tief, kalt und grün. Dann fuhr er sich mit allen Fingern durchs Haar.
    Er sagte und blinzelte mit den Augen: »Wen hast du dort hinten, Ralph? Irgendjemand den wir kennen?«
    Wenn Patricia nicht zur Toilette gemußt hätte oder wenn wir nicht von einer Bettlerin angehalten worden wären, die alleine im Flur saß und Geld wollte und so aussah, als ob sie daran gewöhnt wäre, hier zu schlafen obwohl ständig Polizisten an ihr vorbeigingen, dann wären wir nicht mehr am Auto gewesen, als die Dugdale-Brüder vorbeikamen.
    Patricia gab der Bettlerin einen Dollar. Sie stand da und suchte in ihrer Handtasche nach Geld. Ich beobachtete sie und dachte, Patricia, bist du naiv. Und dann dachte ich, daß es eine Zeit gegeben hatte, in der ich das auch getan hatte.
    Am Auto angekommen, hatte Patricia Schwierigkeiten, ihre Schlüssel zu finden, und als das Schloß auf meiner Seite aufging schaute ich auf und sah Roland keine sechs Meter von uns entfernt auf dem Bürgersteig, mit seinem Daumen in den Taschen seiner Jeans und einer Zigarette, die aus einem Mundwinkel heraushing. Er grinste uns an. Phillip ging vor Roland her und drehte sich um, und schaute zurück und schätzte uns auch ab.
    Angst überfiel mich. Ich stieg ins Auto und sagte: »Mach’ nicht sofort das Licht an, okay?«
    »Mmh? Warum nicht?«
    »Ich will nicht, daß man dein Nummernschild lesen kann.«
    »Wieso?«
    »Da drüben ist jemand, der mich nervös gemacht hat.«
    »Wer? Ich sehe niemanden.« Sie hatte sich umgedreht. Der Parkplatz war nicht so voll, es waren nur vielleicht dreißig Autos da und keines bewegte sich. Ich hatte schon im Seitenspiegel gesehen, daß die Brüder über die Straße gegangen und jetzt im Schatten waren. Von da aus konnten sie das Nummernschild nicht erkennen. Selbst wenn sie es gesehen hatten, dann war es unwahrscheinlich, daß sie es sich gemerkt hatten. Sie hatten keinen Zugang zur Registrierung. Aber man konnte nie wissen. Wenn man alleine lebt, dann wird man vorsichtig. Und durch meinen Beruf bin ich nervös.
    Ich sagte: »Oh, es ist okay. Fahr’ los. Jetzt gibt es kein Problem mehr.«
    Sie ließ das Auto an und fuhr langsam aus der Parklücke. »Mein Gott, Samantha. Willst du mir Angst machen, oder was?«
     

Als wir vom Gefängnis wegfuhren, dachte ich darüber nach, wie die Dinge uns langsam verändern. Ich dachte an die Bettlerin und versuchte mir vorzustellen, wie sie von einem dreizehnjährigen Mädchen, das voller Geschwätz, Hoffnung und Versprechen war, zu einer Dreißigjährigen wurde, fast so alt wie ich, die zwar nicht mehr so jung war, aber sich immer noch auf Dinge freute, dann zu einer Fünfzigjährigen, mit vielleicht einem toten Kind oder einem, das mit ihrem Geld abgehauen war, und die aus irgendeinem Grund auch ohne Mann war. Ich dachte an meine Wohnung am Strand, und daran, wie schön sie war, ganz in grün und weinrot gehalten, und fragte mich, warum ich jetzt hier in diesem Auto mit dieser Freundin saß. Ich dachte an Jerry Dwyer. Ich fragte mich, wie es seinem Vater ging. Ob er je fernsehen konnte oder seine Zeitschriften verkaufen konnte, ohne daß ihm die Tränen in die Augen stiegen.
    Patricia war ruhig, aber nicht verärgert. An einer Ampel hielt ein Auto neben uns auf meiner Seite. Es war ein Riesenmonstrum in blassem Gelb, mit verbeultem Kotflügel und dem Wort Elite in Metallbuchstaben darauf geschrieben. Der Typ am Steuer trug an einer Hand einen schwarzen Gewichtheberhandschuh. Sein Fenster war heruntergekurbelt, und ich hörte den dumpfen Baß von Rockmusik. Ich machte mein Fenster ein wenig auf, um zu hören, was er spielte. Er sah herüber. Er schaute uns mit einem gewissen Blick an, der sagte, >He, Puppe<, und vielleicht drehte er die Musik auch lauter. Patricia machte ihr Radio an. Derselbe Sender, dasselbe Lied. Sie sah mich an, nicht ihn und lachte. »Warum nicht?« sagte sie, und dann sprang die Ampel um, wir fuhren los, und der Typ versuchte, mitzuhalten. Manchmal fuhr er vor, dann blieb er wieder zurück, bis ein anderes Auto zwischen ihn und seine Bemühungen kam. Er berührte die Stoßstange des anderen Wagen, als er anzog, sein Arm war fest und muskulös, und als wir vorbeifuhren, sah ich, wie er mit der behandschuhten Hand auf das Lenkrad schlug.
    Der Text des Liedes in Patricias Radio erwischte mich auf dem falschen Fuß. Zuerst dachte ich, ich hätte mich verhört: irgend etwas über tot

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