Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
ihren Augen las, war immer noch der gleiche.
»Niemand wird dir oder dem Kind etwas antun«, versuchte er sie zu beruhigen. »Das verspreche ich dir.«
Ein kurzes Räuspern machte ihn darauf aufmerksam, dass Inea immer noch an der offenen Tür auf ihn wartete. Eine letzte zärtliche Geste, bei der er das geschwungene schmale Ohr seines Sohnes mit der Daumenkuppe nachzog, dann quälte er sich endlich in die Höhe und ging auf die Amme zu.
Die Luft in dem großen Raum war stickig, obwohl sie nun, da Neras Schreie nicht mehr verräterisch nach draußen drangen, die Decken von den Fenstern genommen hatten. Leiser Gassenlärm drang zu ihnen in die Höhe, und die weißen Seidenbahnen, die sich über die Wände spannten, wehten sanft im Durchzug.
Inea sah ihn genauso an wie den ganzen Nachmittag über: vollkommen beherrscht, mit unbeweglichen, beinahe wie geschnitzt wirkenden Gesichtszügen, die auf niederdrückende Weise mit ihrem schwarzen Kleid harmonierten. Nicht die geringste Regung ließ erkennen, dass sie Neras Drohungen gehört hatte.
»Es können noch Entzündungen und andere Schwierigkeiten auftreten«, sagte sie, als Benir an seinen Gürtel langte. »So ein Schnitt macht alles komplizierter. Ihr werdet mich noch länger brauchen.«
»Davon bin ich überzeugt«, versicherte er, während er die Börse mit der vereinbarten Summe zückte. »Hier, für dich. Du hast dir jede einzelne Münze verdient.« Er lächelte sie an. Vertrauenerweckend, wie er hoffte. »Du darfst Nera ihre Worte nicht übelnehmen«, bat er mit gedämpfter Stimme. »Sie ist erschöpft und verwirrt, das ist alles. Keiner von uns beiden hat gewusst, dass es so schwierig wird.«
Sein Blick glitt unbewusst durch die offene Tür und über die blutigen Laken, die er nach draußen in den Flur geworfen hatte. Der Kleine hatte nicht richtig im Leib gelegen, deshalb war ein zusätzlicher Schnitt nötig geworden. Benir hatte zwischendurch tatsächlich geglaubt, dass die Amme seine Gefährtin umbringen wollte. Aber als
er wieder an den Moment dachte, in dem er das schreiende, blutige Bündel – seinen Sohn – zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte, huschte doch ein Lächeln über seine Lippen.
»Das alles gutgegangen ist, verdanken wir nur dir«, lobte er die Amme bewegt.
Ihre Mundwinkel zuckten in die Höhe. Kaum merklich, doch er registrierte es dennoch. Die erste Gefühlsregung, zu der sie sich in seiner Gegenwart hinreißen ließ.
»Ich habe euch gern geholfen«, sagte sie. »Und nicht nur deswegen.« Sie hob den Lederbeutel an, sodass sein Inhalt leise klimperte, bevor sie ihn in einer unsichtbaren Falte ihres Kleides verschwinden ließ.
Als ihre Hand wieder hervorkam, ragte ein kleiner Glasflakon zwischen den Fingern hervor. Die leicht grünliche Flüssigkeit, die darin schwappte, zog ölige Schlieren über die Innenwandung, als Inea sie überreichte.
»Ein Stärkungstrunk für die Mutter«, erklärte sie dazu. »Er wird Nera beruhigen und sie erfrischen. Ich schaue morgen wieder vorbei. Falls du vorher Hilfe brauchst, weißt du, wo du mich finden kannst.« Mit diesen Worten wandte sie sich grußlos ab und ging davon. Doch schon halb aus der Tür hinaus, wandte sie sich noch einmal um. »Ich werde euch ganz bestimmt nicht verraten«, versicherte sie, den Blick fest auf ihn gerichtet. »Nicht mal mein Mann weiß, dass ich hier bin. Denn wenn herauskommt, dass ich euch geholfen habe, würde es auch mich den Kopf kosten.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand sie endgültig im Gang.
Benir stieß einen leichten Seufzer aus, drückte die Tür zu und schob den Riegel vor. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er den Eindruck, dass alles gut werden würde.
Jenseits der Schwarzen Marsch
Ohnmächtig war ihm die Elfin lieber gewesen. Gut, da hatte er sie tragen müssen, aber sie wog nicht viel, darum hatte ihm das nichts
ausgemacht. Seit sie erwacht war, redete sie jedoch unentwegt auf Urok ein, um ihn davon zu überzeugen, dass er einem gewaltigen Irrtum unterlag.
»Denk doch mal nach«, forderte sie wohl schon zum tausendsten Mal. »Würde sich wirklich jemand freiwillig in die Hände eines Blutorks begeben? Du weißt wohl nicht, was für ein Ruf euch vorauseilt? Und davon ganz abgesehen: Selbst wenn Todbringer mich wirklich als Lockvogel eingesetzt hätte, so ändert es doch nichts daran, dass auch mir übel mitgespielt wurde. Schließlich habe ich nie geleugnet, dass ich früher zur Legion der Toten gehörte.«
Ihr
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