Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
die marode Kante, die unter dem Aufschlag umgehend zerbröckelte. Gleich darauf scheuerten die Äste mit einem schauerlichen Geräusch an der Schlucht entlang, wie Fingernägel, die über Granit kratzten, während der Wurzelstumpf unter dem abknickenden Gewicht nachgab und endgültig aus dem Erdreich brach.
Dreck und Steine schleuderten umher, und für einen unwirklichen Augenblick stand der Gigant kopfüber in der Luft, aber nur, um dann mit noch größerer Wucht in der klaffenden Schlucht zu verschwinden. Das Getöse, mit dem sich der Stamm auf seinem Weg in die Tiefe überschlug, wurde immer lauter und schien überhaupt nicht mehr enden zu wollen.
Urok taumelte zurück, weil der Boden unter seinen Füßen erzitterte. Sein geschundener Körper gierte nach Erholung, trotzdem stolperte er auf Feene zu, um ihr die Hände mit dem Seil, das bereits um ihren Bauch geschlungen war, auf den Rücken zu fesseln.
Als er wieder in die Höhe sah, war die Luft über dem Abgrund immer noch mit Staub erfüllt, trotzdem bemerkte er ein irritierendes Flimmern auf der anderen Seite der Schlucht. Und zwar genau an der frisch aufgerissenen Stelle, an der noch kurz zuvor der Baumstumpf gesessen hatte.
Seine Eile war also berechtigt gewesen.
»Zeigt euch!«, brüllte er Todbringer und den anderen Elfen zu. »Ich weiß, dass ihr da seid!«
Als sie nicht auf seine Aufforderung reagierten, klaubte Urok die Streitaxt vom Boden auf und setzte eine ihrer geschwungenen Schneiden direkt in Feenes Nacken. Aufrecht stehend, seine Rechte fest um den Stiel gelegt, brauchte er nur kurz den Arm nach vorn schnellen zu lassen, um sie zu köpfen. Selbst wenn er von einem Geschoss getroffen wurde, etwa einem gefiederten Bolzen, wie er dem Wolfshäuter im Nacken gesteckt hatte, war Feene unwiederbringlich verloren. Denn sobald er eine tödliche Verwundung erhielt, würde er von ganz allein nach vorn sacken und sie dabei mit ins Verderben nehmen.
»Zeigt euch!«, forderte er erneut. »Oder eure Freundin ist des Todes!«
Diese Drohung zeigte endlich Wirkung. Nur Augenblicke später formten sich drei Gestalten aus der einbrechenden Dunkelheit. Zuerst nur schemenhaft, dann mit immer deutlicheren Konturen, die schon bald zu weinroten und tannengrünen Kapuzenmänteln wurden.
»Zeigt eure Gesichter!«, legte er nach. »Besonders du, Todbringer!«
Der mittlere der drei schob als Erster die Kapuze zurück. Darunter kam ein fein geschnittenes, beinahe kindlich wirkendes Gesicht zum Vorschein, ungewöhnlich bleich und von rabenschwarzem Haar umgeben, sodass es sich wie ein heller Fleck von der Dunkelheit abhob. Zwei aufgequollene Stellen an Hals und Wange zeigten an, wo ihn die Nebelspinnen gebissen hatten.
»Wenn du ihrer überdrüssig bist, lass sie einfach zurück«, schlug Todbringer vor. »Wir sind sowieso auf der Jagd nach ihr.«
»Aber natürlich«, höhnte Urok. »Deshalb habt ihr ja auch für sie in den Kampf mit den Wolfshäutern eingegriffen.«
Todbringers Miene verfinsterte sich bei seinen Worten. Und obwohl er den Blick weiter stur geradeaus hielt, zog einer der ihn flankierenden Gefährten instinktiv den Kopf ein. Den unzähligen Quaddeln und Pusteln nach zu urteilen, die im Gesicht des Rothaarigen klebten, war
es derjenige, der seinen Mantel abgeworfen hatte, als ihm die Nebelspinnen so sehr zugesetzt hatten. Ein echter Unglücksrabe.
»Wir haben Befehl, sie lebend zurückzubringen«, log Todbringer. »Deshalb mussten wir sie vor den Klingen der Wolfshäuter schützen.«
Urok lachte ihn aus, bevor er rief: »Bei euch scheint es noch mehr Torgs und Gabors zu geben als in meinem Volk.«
»Was?« Todbringer hielt ihm eines seiner spitzen Ohren entgegen. Er glaubte wirklich, sich verhört zu haben.
»Ihr erzählt euch offenbar noch mehr Lügen über uns Orks als wir uns über Elfen und Menschen«, erklärte Urok, ohne seine vorherigen Worte weiter auszuführen. »Ihr scheint uns alle für furchtbar dämlich zu halten, aber das sind wir nicht. Bleibt also besser Arakia und mir fern, oder ihr seht eure Freundin niemals lebend wieder.«
Urok stellte zufrieden fest, dass Todbringers bleiches Gesicht einen roten Schimmer bekam. Mehr hatte er nicht sehen wollen. Mit einer geschickten Bewegung drehte er die Axt in seiner Hand und zog ihre Schneide über das lange Seil, um es zu kürzen. Danach nahm er die Bewusstlose auf und warf sie sich über die linke Schulter, sodass sie seinen Oberkörper bedeckte, während er sich langsam in die
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