Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
den Weg gemacht hatten, um sie hier abzufangen.
Wären Eishaar und seine Scharen auch nur ein klein wenig später eingetroffen, hätten sie wohl nur noch Tote vorgefunden.
»Du da«, wandte sich Vandall erneut an Urok. »Sag mir, was ich von diesem Mummenschanz zu halten habe. Das hier ist doch kein heiliger Grund, den es zu achten gilt, sondern bloß ein böses Spiel, das ihr treibt. Sag mir, welchem Zweck es dient, und du erhältst einen trockenen Platz in einer unserer leeren Hütten. Und vielleicht sogar eine junge Witwe, die einen neuen Mann sucht.«
Urok stützte sich längst wieder auf seinen Rundknauf und zog ein gelangweiltes Gesicht. »Mir steht keine Antwort zu. In unserer Schar spricht nur der Erste Streiter.« Das war alles, was er erwiderte.
Vandall Eishaar spuckte verächtlich aus. Einige seiner Getreuen zuckten erschrocken zusammen, weil sein Speichel dicht vor der in das Laub gezogenen Linie auftraf. Nur eine Handbreit weiter, und er hätte sich an Vuran versündigt.
»Du klingst sehr feindselig«, nahm Tabor den Faden auf. »Soll das etwa bedeuten, dass du den heiligen Grund nicht achten willst?«
»Es gibt keinen heiligen Grund«, fauchte Vandall zurück. »Ihr habt diesen Platz selbst entweiht, indem ihr die Waffen gegeneinander erhoben habt. Der Fremde im Blutrausch und ihr.«
»Es gab keinen Kampf«, korrigierte Grimpe.
»Und auch keinen Blutrausch«, fügte Tabor hinzu, dem die Lügen inzwischen besser von den Lippen gingen. »Was ihr gesehen habt, ist unsere Art Vuran ein Opfer darzubringen. Die Art der Ranar. Darum steht unser Heimweg auch unter dem Blutbann, wie es sich für alle Zeiten gehört.«
Vandall Eishaar setzte zu einer Erwiderung an, brach aber ab, ohne ein einziges Wort hervorzubringen. Seine Augen begannen sich plötzlich zu weiten. Sie stehen für den Heimweg unter Vurans Schutz. Diese Erkenntnis sickerte zwar nur langsam, aber dafür mit durchschlagender Kraft in seine Gedanken, das war ihm deutlich anzusehen. Endlich dämmerte ihm, was eigentlich vor sich ging. Rasch wandte er sich einem nahe stehenden Krieger zu und flüsterte ihm
einen Befehl ins Ohr. Doch es war gar nicht mehr nötig, einen Späher an den Waldrand zu senden.
Seine Nachhut begann bereits lautstark zu lärmen.
»Alarm!«, erklang es aus knapp fünfzig Schritten Entfernung. »Unser Dorf wird angegriffen! Die Palisaden stehen bereits in Flammen!«
Unter den Madak brach Unruhe aus, doch ohne Eishaars Befehl stürmte niemand los. Noch nicht. Der Streitfürst musste sich rasch etwas einfallen lassen, wollte er nicht die Kontrolle über seine Ersten Streiter und ihre Scharen verlieren.
»Ein Überfall?«, erhöhte Grimpe den Druck mit höhnischer Stimme. »Das ist ja schrecklich. Vielleicht solltet ihr nachsehen, was dort vor sich geht, bevor man euch noch all euer Hab und Gut raubt.«
Die Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Überall entlang des Bannkreises wurde mit den Füßen gescharrt. Die ersten Krieger drehten sich bereits um, reckten unruhig die Hälse und standen kurz davor zurückzustürmen. Nur unter großen Mühen gelang es ihren Ersten Streitern, die Disziplin aufrechtzuerhalten.
Vandall Eishaar hob drohend die Hand mit dem Streithammer, als ob er auf Grimpe zuspringen und ihn niederstrecken wollte, doch der Bannkreis hielt ihn zurück wie eine unsichtbare Barriere. Der Glaube an Vuran steckte ihnen allen so tief im Blut, dass der Körper von allein verweigerte, was die Wut so gern diktieren wollte.
»Diese ruchlose Tat werdet ihr noch alle bereuen«, drohte Vandall, als er endlich einsah, dass ihm die Hände gebunden waren. Auch wenn er die List durchschaute, er konnte Tabors Schar nicht angreifen, ohne Schande über sich und seinen ganzen Stamm zu bringen. Ohne die Wirkung seiner Worte abzuwarten, wandte er sich den eigenen Krieger zu.
»Mir nach!«, rief er laut. »Die Angreifer sollen es büßen, dass sie uns so heimtückisch überfallen haben!«
Dass die Madak gerade dafür büßten, dass sie zwei Monde zuvor
das Dorf der Ranar überfallen hatten, brauchte er nicht zu erwähnen, das wussten ohnehin alle. Während sich die Scharen unter lautem Gebrüll entfernten, lachten ihnen Tabors Mannen hinterher.
Der Rausch des Triumphs ließ viele den eigenen Zwist vergessen, doch in Grimpe brodelte weiterhin der Wunsch nach Rache.
»Eishaar hatte recht!«, stieß er laut hervor, sobald sie wieder allein waren. Nachdem er mit seinem Ruf alle zum Verstummen gebracht hatte, wandte er sich
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