Blutorks 1 - Frenz, B: Blutorks 1
schätzte. »Hast du irgendetwas in den Flammen gesehen?«
»Nein«, log sie ihn an. Und beschloss, dass es längst an der Zeit war, eigene Geheimnisse zu bewahren.
15
E in vertrauter Ort wie das eigene Heim erschien Urok als die richtige Stelle zum Grübeln. Doch als er die Lichtung erreichte, auf der seine Hütte gestanden hatte, fand er nur noch eine schwelende Ruine vor. Obwohl er geglaubt hatte, auf alles vorbereitet zu sein, spürte er beim Anblick der Trümmer einen tiefen Schlag in die Magengrube. Der überraschte Laut, der seiner Kehle entfuhr, ließ sich nicht unterdrücken. Heiße Wellen durchfluteten seinen Körper. Er musste sich längere Zeit an einem tiefen Ast festklammern, bis das plötzlich aufsteigende Schwindelgefühl niedergekämpft war.
Die Beine schwer wie Blei, stapfte er langsam weiter.
Das satte, von gelbem Löwenzahn durchsetzte Gras glänzte noch feucht vom Regen der vergangenen Nacht. Dort, wo das Moos überwog, schmatzte es unter seinen schweren Stiefeln. Irgendwo in den umliegenden Bäumen hämmerte ein Specht. Alles schien vollkommen normal. Doch der Anblick der verkohlten Balken, die wie anklagende Finger in die Höhe ragten, wollte einfach nicht verschwinden.
Teergeruch lag in der Luft.
Wer auch immer an diesem Ort gewütet hatte, war gründlich vorgegangen. Uroks Rundhütte war nicht nur niedergebrannt, sondern schon zuvor regelrecht in Grund und Boden gestampft worden. Teile des zerschlagenen Mobiliars lagen überall auf der Lichtung herum. Selbst die hüfthohe Feldsteinmauer war eingerissen und in alle Richtungen verstreut worden. Und auf den Menschenschädeln, die einst den Türbogen zierten, hatte jemand so ausdauernd herumgetrampelt, dass nur noch ein großer Haufen fahler Splitter übrig geblieben war. Ihr Verlust schmerzte Urok am meisten, denn sie waren Trophäen seines Vaters gewesen. Sie in den Schmutz zu treten, bedeutete, auch Ramoks Ansehen zu beflecken.
Damit waren seine Gegner eindeutig zu weit gegangen.
Urok umrundete seine niedergebrannte Behausung, doch so oft er auch stehen blieb und einen der Balken anhob – es gab einfach nichts
mehr, das der Rettung lohnte. Der nächtliche Regen hatte zu spät eingesetzt, um die vom Teer genährten Flammen zu ersticken. Was nicht vollständig zu Asche zerfallen war, war – wie die beiden großen Truhen – so stark verkohlt, dass es sich nicht mehr gebrauchen ließ, oder – wie der große Kessel über der Feuerstelle – mit Hämmern und Äxten schwer beschädigt worden. Um so gründliche Arbeit zu leisten, hatte vermutlich der ganze Clan Hand anlegen müssen.
Urok säuberte seine rußverschmierten Finger im Gras und ließ sich auf einem Findling nieder, der zu groß war, als dass man ihn hatte fortschleudern können. Eine Zeitlang haderte er mit seiner Entscheidung, zuerst den Heiligen Hort aufzusuchen, aber dann wurde ihm klar, dass es nichts geändert hätte, wäre er schon früher heimgekehrt. Sie hätten ihm die Hütte auch direkt über dem Kopf angezündet. Oder einige Tage gewartet, bis er ins Grenzland aufgebrochen wäre.
Außerdem hatte er ohnehin vorgehabt, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Doch wenn er sein Dach selbst angesteckt hätte, wäre das seine eigene Entscheidung gewesen, nicht ihre. Und sie hatten Ramoks Ansehen beschmutzt. Das schrie nach Vergeltung.
Eine Zeitlang beobachtete er schweigend, wie feine Rauchfahnen aus dem schwelenden Holz senkrecht in den Himmel stiegen und dort langsam verwehten. Im Gegensatz zu den heftigen Stürmen, die in seiner Brust tobten, herrschte um ihn herum völlige Windstille. Als er endlich zu einer Entscheidung gelangt war, stand Urok abrupt auf und begann seine Kleidung abzustreifen. Zuerst den Lederharnisch, dann den grob gewebten Überwurf in den Stammesfarben, den er, sorgfältig zusammengefaltet, auf den Findling legte. Danach öffnete er den Fellsack und zog Ramoks Panzerung hervor.
Was den Wuchs anging, war Urok ganz nach seinem Vater geraten. Er musste nur ein wenig an der wattierten Fütterung herumkneten, bis ihm der Harnisch wie angegossen passte. Ohne die Stammesfarben, die den eisernen Waffenrock bedeckten, kam er sich einen Augenblick lang nackt vor. Doch schon im nächsten Atemzug fühlte er sich wie befreit.
Zufrieden packte er die alte Rüstung in den Fellsack und legte auch die beiden Dolche hinzu, weil sie nicht so gut unter den Armschutz passten, wie er gehofft hatte. Alles zusammen deponierte er zwischen den schwarzen Balken der
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