Blutportale
er. »Ich halte nämlich nichts von derlei Unfug.«
Saskia lächelte ihn gewinnend an. Er seufzte und begann, den Blick in Windeseile über die Seiten huschen zu lassen. Sein Gesicht sah dabei angestrengt aus, die Handschrift und die sehr oft verwischten Buchstaben machten es nicht leicht, den Inhalt zu erfassen.
Die Minuten verstrichen, ohne dass er etwas sagte. Er brummte nur vor sich hin, blätterte, fuhr mit den Fingern über die Seiten und las immer weiter.
Saskia schaute zu Justine, die ihr mit einem leichten Nicken zu verstehen gab, dass alles in Ordnung war. Will entdeckte sie schräg über sich auf der Galerie, und auch er sah entspannt aus.
Mehr als eine Stunde lang schaute Bebud in das Buch, machte sich mit kleinen Papierfetzen, die er aus der Zeitung riss, Markierungen, um diese Stellen schließlich noch einmal genauer zu lesen. Jedes Mal, wenn Saskia zu einer Frage ansetzte, hob er die Hand und stoppte sie. Als er es nach einer Stunde und vierundvierzig Minuten immer noch so hielt, war sie gereizt. »Sagen Sie mir, was Sie gefunden haben?«, bat sie freundlich, aber drängend. »Unsere Maschine geht bald.«
»Das ist alles ... interessant. Bedeutsam, wenn man daran glaubt.« Bebud legte das Buch aufgeschlagen auf seine Beine. »Das Büchlein behandelt verschiedene Erscheinungsformen des Bösen, des Dämonischen. Es gibt davon offensichtlich sehr viele Arten. Man kann diese ... diese Wesenheiten in unsere Welt rufen, sofern man die Voraussetzungen dazu erfüllt.« »Das wissen wir. Werden Artefakte erwähnt?«
Der Mann legte die rechte Hand auf die rechte Buchseite. »Das Buch ist etwa einhundert Jahre alt und sammelt sein Wissen wiederum aus Abschriften aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Es dreht sich in erster Linie um die Geschichte Posolsks und dass es einst als Dorf gegründet wurde, um das Schwert dort vor dem Bösen zu verstecken und zu beschützen. Dazu wurde das artefactum abwechselnd in den Klöstern aufbewahrt.«
Saskia folgte den Ausführungen ungeduldig. Diese Etappe ihrer Suche hatten sie bereits hinter sich gelassen. »Das ist alles? Keine Hinweise auf andere Artefakte?«
Bebud verneinte. »Aber eine Bemerkung zu einer Stadt, in deren antiken Ausgrabungen immer wieder verstümmelte Leichen gefunden werden. Leichen von Archäologen und deren Helfern. Der Verfasser des Buchs mutmaßt, dass es sich dabei um das gleiche dämonische Phänomen handelt, von dem schon die antiken Schriften römischer Gelehrter künden: der Fluch von Alexandria.«
Saskia wählte Wills Nummer und berichtete ihm von Alexandria. »Sieh nach, ob du an einem Internet-Terminal etwas darüber herausfinden kannst. Für mich klingt das, als sei ein Schutzgeist über die Archäologen hergefallen.«
»Ich lasse dich ungern aus den Augen«, antwortete er zögerlich. »Mach schon!« »Erst mal muss ich hier ein Terminal finden.« Er verabschiedete sich, und sie sah, dass er sich vom Geländer abstieß und nach hinten verschwand.
Sie schaute zur Anzeige mit den Abflügen. Die Maschine, die sie nach Moskau bringen sollte, flog in zwei Stunden. Von da ging es weiter nach London, und ein Anschlussflug würde sie direkt weiter nach Shannon transportieren; Limerick war von dort nur einen Katzensprung entfernt.
Saskias Blick wurde von einem Monitor daneben abgelenkt, wo neue Aufzeichnungen der unglaublichen Vorgänge am Baikalsee gezeigt wurden. Satellitenbilder machten das ganze Ausmaß der Wellenbewegungen deutlich, einige Aufnahmen zeigten die von ihr erschaffene Wasserschlucht unmittelbar beim Zusammenbrechen. Saskia war erleichtert, dass sie darauf nicht zu sehen war. Und als ein Kamerateam die Statements von Schaulustigen einfing, erkannte sie zu ihrer Verblüffung im Hintergrund jemanden, der ihr vertraut war: den Maitre! Es war nur ein kurzes Vorbeihuschen, doch sein Gesicht würde sie unter Tausenden erkennen. Rasch schaute Saskia auf das Datum der Aufnahme: Sie war gestern gemacht worden. Der Professor musste sich getäuscht haben, als er ihr gesagt hatte, der Maitre würde sich in Rio aufhalten. Oder war das Absicht gewesen?
Saskia war verwirrt. Warum sollte der Professor sie belügen?
Für wahrscheinlicher hielt sie, dass er von seinen Informanten getäuscht worden war, damit sich der Maitre ihnen unbemerkt nähern konnte.
Sie fürchtete, dass der Maitre schon mehr über das Vorhaben des Professors, ihn töten zu lassen, wusste, als es diesem lieb sein konnte. Und wenn dies so war, drängte sich die
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