Blutportale
wie es um unsere Gefühle steht, wenn ich keine Mediatrice mehr bin und du kein ...«, sie grinste ihn an, um die Situation für sie beide zu entspannen, »... kein visionengeplagter Finder-Inder.«
Will nickte. Er wusste, dass sie recht hatte. Er war trotzdem traurig und ... und er war ... wütend? Wie kann sie es wagen, mich zurückzuweisen, fauchte ein Gedanke durch seinen Kopf. Er erschrak selbst darüber. Wieder das Unbekannte! Er bat Shiva um mehr Gelassenheit und beugte sich dann zur Seite, um sich die Zeichnungen anzusehen; dabei achtete er darauf, Saskia nicht zu berühren.
Er hatte Angst davor, was er sonst tun würde.
XV.KAPITEL
12. November Russland, südöstlicher Baikalsee
Nach etwas Schlaf und einem hastigen Frühstück saßen sie im Doppelzimmer der Frauen.
Will hatte sich an der Rezeption einen Laptop ausgeliehen und recherchierte erneut im Internet nach Informationen zu den Orten, an denen die Artefakte verborgen waren.
Ihm erschien die Suche nach der Harfe am aussichtsreichsten, und so jagte er in der virtuellen Welt nach den Begriffen Harfe, dämonisch, verflucht, Großbritannien und Teufel. Einige Treffer hatte er bereits, doch die Musikinstrumente stimmten nicht mit dem überein, das er in seiner Vision gesehen hatte.
Saskia versuchte derweil, den Professor zu erreichen, um ihn nach Neuigkeiten aus Hamburg und dem Maitre zu fragen. Justine zappte mit rasender Geschwindigkeit durch die Fernsehkanäle; das Bild blieb weniger als eine Sekunde lang stehen.
Saskia erreichte den Arzt. »Ah, Professor! Wie geht es Ihnen?« Sie stellte auf Lautsprecher. »Gut, danke, Frau Lange«, sagte er freudig. »Was gibt es Neues?«
»Dass in Hamburg die Pest ausgebrochen ist, haben Sie mitbekommen?«
»Ja.« Saskia hatte diese Tatsache bis jetzt wunderbar verdrängt. »Uns geht es gut. Wir sind nicht infiziert, denke ich.« »Das freut mich zu hören. Bisher sind einhundertzweiundachtzig Menschen daran erkrankt, die Symptome breiten sich rund um die Villa in rasender Geschwindigkeit aus. Die Medien spekulieren bereits, ob das Anwesen nicht der geheime Stützpunkt einer pakistanisch-muslimischen Terrororganisation gewesen sein könnte, die darin Pesterreger züchtete. Der ganze Stadtteil ist unter Quarantäne gestellt worden.« »Ich bin Inder! Halbinder! Nein, eigentlich Deutscher«, sagte Will entrüstet. »Beschissene Boulevardblätter!«
»Hallo, Herr Gul. Ich kann erahnen, wie Sie sich fühlen.« Der Professor schwieg ein paar Sekunden. »Wo sind Sie?«
Justine gab Saskia Handzeichen, dass sie nichts verraten sollte, doch die schüttelte unwirsch den Kopf. »In Irkutsk.« Sie vertraute dem Professor.
»Das ist interessant. Es gab gestern mehrere heftige Flutwellen im Baikalsee. Haben Sie davon etwas mitbekommen?«
Saskia antwortete mit einem knappen »Ja«.
»Niemand scheint dafür eine vernünftige Erklärung zu haben. Ein Erdbeben wurde nicht gemessen, und die Zeugenaussagen sind sehr wirr ...« Der Professor ließ die Frage, ob Saskia und Will damit zu tun hatten, unausgesprochen im Raum hängen.
»Ja, keiner weiß, was geschehen ist«, sagte sie und hoffte, dass er ihr die Lüge nicht anhörte. »Bis jetzt hat man über sechzig Tote gefunden, wussten Sie das? Sogar ein Mönch war dabei was der wohl auf dem See zu suchen hatte.«
Die Nachricht traf Saskia. Es fühlte sich an, als habe der Professor sie auf der Planche mit einem unerwarteten Angriff in die Defensive gedrängt. Über sechzig Tote, schoss es ihr durch den Kopf, und ich habe sie auf dem Gewissen! Passend dazu hielt Justine mit dem Zappen inne. Ein Nachrichtenkanal lieferte Bilder mit Verwüstungen aus verschiedenen Hafenstädten, ganze Stadtteile waren überspült worden. Die Hilfs- und Aufräumaktionen unter der Leitung der russischen Armee liefen bereits.
Saskia schmerzte dieser Anblick, und die Schuld machte sie sprachlos. Das hatte sie beim besten Willen nicht beabsichtigt!
»Das ist wirklich tragisch, Professor«, sagte Justine laut und sah Saskia dabei fest an. »Das Schicksal kann grausam sein, n'est-ce pas? Nur gut, dass wir nicht in der Nähe waren, als es passierte. Aber sagen Sie uns: Gibt es Neuigkeiten über den Maitre?«
»Er ist in Rio de Janeiro gesichtet worden«, erzählte der Professor. »Was er dort will, wissen wir nicht. Jedenfalls ist es keine Duellforderung der union.«
Saskia räusperte sich; es war gut, sich auf etwas anderes zu konzentrieren als auf die Schuld, die sie auf sich geladen hatte.
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