Blutrot wie die Wahrheit
mag â und Tomatensalat, aber den musste ich nicht essen, weil ich Tomaten nämlich gar nicht leiden kann.â
âWeil ich Tomaten nicht magâ, sagte Nell leise.
âWeil ich Tomaten nicht mag. Ãberhaupt nicht. Und ich habâ aber das Porridge gemacht!â
Fragend legte Thurston den Kopf zur Seite. âPorridge?â
âMit Honig und Rosinen.â
âGracies Spezialitätâ, erklärte ihm Nell.
âUnd zum Nachtisch hatten wir Schokoladenkuchen, aber Miss Sweeney hat gesagt, vierunddreiÃig Kerzen passen nicht auf den Kuchen, und deshalb hatten wir nur eine groÃe, und die hat den ganzen Kuchen vollgetropft, aber er hat trotzdem ganz gut geschmeckt.â
âWelch wunderbare Weise, ein Picknick im Garten abzuschlieÃenâ, meinte Thurston. âEs klingt herrlich. Wissen Sie was, ich habe eine Idee. Warum kommen Sie nicht alle drei morgen Abend vorbei und leisten mir bei einem kalten Abendessen in meinem Garten Gesellschaft?â
âEine fabelhafte Ideeâ, erwiderte Nell und fügte bedauernd hinzu, ânur leider brechen Gracie und ich morgen bereits nach Cape Cod auf.â
âOh nein, wie können Sie nur!â, schalt Thurston sie mit gespielter Entrüstung. âWann kommen Sie denn wieder zurück?â
âEnde August.â
âNun ja, dann werden wir eben Ende August mit einem aberwitzig üppigen Diner Ihre Rückkehr feiern â so richtig überkandidelt und unschicklich üppig. Und in der Zwischenzeitâ, meinte er dann ernst, âwerde ich Sie sehr vermissen, Miss Sweeney. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, an einem so ⦠kritischen Punkt meines Lebens Freunde wie Sie und Dr. Hewitt gefunden zu haben. Nachdem ich Virginia verloren hatte â¦â
Er sah kurz zu Gracie hinüber, die nun einige Meter entfernt stand und damit beschäftigt war, die Blumen in der anmutig ausgestreckten Hand, einen formvollendeten Knicks zu üben. âIch war in Versuchung â wirklich sehr versucht â, ihr ins Jenseits nachzufolgen. Es schien mir unmöglich, dass ich jemals wieder etwas anderes als Kummer und Schmerz empfinden würde. Virginia hätte das natürlich verurteilt. Sie hätte über meine Schwäche gespottet und mir gewiss schwere Vorwürfe gemacht. Man kann ja sagen, was man will ⦠aber sie hat sich nie unterkriegen lassen, sie hat nie aus den Augen verloren, was sie im Leben erreichen wollte, was ihr wichtig war.â
âUnd was wäre das gewesen?â, fragte Nell.
âGroÃartig zu seinâ, erwiderte Thurston lächelnd. âDas Publikum glaubte, dass sie irgendeine verwöhnte Südstaatenschönheit sei, dass sie auf einer Plantage aufgewachsen wäre, wo es ihr an nichts gemangelt hätte, und sie lieà ihnen diesen Glauben gern. Die Wahrheit ist indes, dass ihr Vater ein Wanderprediger war, einer von den Feuer und Schwefel predigenden Typen, die meinen, sie könnten ihren Kindern die Gottesfurcht einprügeln.â
Wills Blick ruhte auf Gracie, sein Kinn war gespannt.
âEr tingelte kreuz und quer durch Tennessee und Kentucky, seine Familie immer im Schlepptau. Virginias Aufgabe war es, die milden Gaben einzusammeln. Sie hat mir erzählt, wie sie sich dabei immer vorstellte, dass alles, was sich während der Kollekte in ihrem Korb anhäufte, ganz allein ihr gehören würde. Und dann malte sie sich aus, was sie alles mit ihrem Leben anfangen wollte, wenn dieses Geld ihres wäre. Sie hat schon immer von etwas Besserem geträumt. Das war einer der Gründe, warum sie Fiona Gannon so sehr mochte â darin waren sie sich beide sehr ähnlich.â
âWie hat es sie dann nach Boston verschlagen?â, wollte Will wissen.
âEs gab da diesen jungen Mann, den Sohn einer der Familien, bei der sie untergekommen waren â die Kimballs. Er war ihre erste Liebe. Als er sie fragte, ob sie ihn heiraten wolle, sagte sie ja. Doch am nächsten Tag â¦â Thurston vergewisserte sich kurz, dass Gracie auch wirklich auÃer Hörweite war. âAm nächsten Tag fiel er auf ⦠ich weià nicht mehr, wie sie das schreckliche Ding genannt hat â so ein von Pferden gezogenes Ackergerät mit eisernen Dornen â¦â
Nell zuckte unwillkürlich zusammen. âOh.â
âVirginia war am Boden zerstört, verständlicherweise. Und dann stellte sie auch noch fest, dass
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