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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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dessen Verdeck zurückgeschlagen war und der zweifelsohne den Pratts gehörte, entdeckte Nell auf der gegenüberliegenden Straßenseite Will. Er hatte gerade den Public Garden erreicht, doch sowie er sie sah, warf er seine Zigarette weg und rannte zurück.
    â€žNell!“ Will riss sich den Hut vom Kopf und ließ sich auf die Stufe zu ihren Füßen sinken. „Was ist passiert?“
    â€žMuss die Hitze sein“, meinte Skinner. „Sie war eben ganz schön wacklig auf den Beinen. Einen Augenblick länger, und sie wär’ mir ohnmächtig umgekippt.“
    â€žEs geht mir wieder gut, wirklich“, beharrte sie.
    â€žBeug deinen Kopf vornüber“, sagte Will zu ihr und unterstrich seine Aufforderung, indem er sie sanft am Nacken fasste und ihren Kopf nach vorn zog.
    â€žSie kennen die Dame?“, fragte Skinner.
    â€žJa, und ich stehe zutiefst in Ihrer Schuld, Sir.“ Das Gesicht halb in schwarzem Wollstoff vergraben, sah Nell aus dem Augenwinkel, wie Will ihm die Hand reichte. „William Hewitt.“
    â€žDetective Charles Skinner, Bostoner Kriminalpolizei. Haben Sie Hewitt gesagt? Sie sind aber nicht mit Mr. August Hewitt aus der Colonnade Row verwandt, oder?“
    â€žDoch, ich bin der Sohn, über den nicht gesprochen wird.“ Will streichelte Nells Rücken, bis ihr die Haut unter ihrem Korsett zu prickeln begann. „Und diese recht eigensinnige junge Dame ist Miss Cornelia Sweeney.“
    Skinner zögerte kurz – vielleicht, um sich der Tatsache bewusst zu werden, dass sie Irin war –, bevor er schließlich mit verhaltener Höflichkeit erwiderte: „Angenehm, Sie kennenzulernen, Miss Sweeney.“
    â€žGanz meinerseits“, murmelte sie in ihre Röcke hinein.
    â€žNichts für ungut, Hewitt“, fuhr Skinner an Will gewandt fort, „aber wenn Sie August Hewitts Sohn sind, warum reden Sie dann wie ein Engländer?“
    â€žWeil er mich als Kind nach England geschickt hat“, erwiderte Will lakonisch. „Wie Sie sehen, habe ich allerdings wieder zurück nach Hause gefunden – Pech für ihn.“
    â€žEs geht mir schon viel besser“, sagte Nell. „Ich kann mich jetzt wieder gerade hinsetzen.“
    â€žIch bin hier der Arzt“, entgegnete Will. „Und deshalb bestimme ich, wann es dir besser geht.“
    â€žSagten Sie Arzt?“, fragte Skinner. „Dann haben Sie also … äh … die Situation im Griff, oder?“
    â€žAber gewiss“, meinte Will. „Danke für Ihre Hilfe.“
    Nell wandte den Kopf zur Seite, um sich zu vergewissern, dass Skinner auch wirklich wieder in der Kirche verschwand. Durch die offene Tür konnte sie den Chor hören, der endlich das trübselige Stück zum Abschluss brachte, und gleich darauf war abermals die hier draußen nur leise und undeutlich zu verstehende Stimme von Reverend Gannett zu vernehmen, der die Trauergemeinde einlud, mit ihm gemeinsam das Vaterunser zu sprechen.
    â€žFür eine Dame, die nach eigenem Bekunden nie in Ohnmacht fällt, hast du aber eine recht anfällige Konstitution“, befand Will.
    â€žHabe ich nicht.“
    â€žUnd was sollte das dann eben?“
    Noch immer vornüber gebeugt, kramte Nell in ihrer geöffneten Gürteltasche herum, bis sie gefunden hatte, woran sie unter so mühseligem Einsatz gelangt war.
    â€žWas ist das?“, fragte Will, als sie ihm ihre Beute reichte.
    â€žVirginia Kimballs Schlüssel. Ich habe sie gerade Detective Skinner entwendet.“
    Will war so verdutzt, dass er seine Hand von ihrem Nacken nahm und sie sich endlich aufsetzen konnte. Ungläubig schaute er auf den silbernen Schlüsselring, von dem vier Messingschlüssel baumelten. Als er Nell wieder ansah, meinte sie in seinen Augen Bewunderung und Belustigung miteinander ringen zu sehen. „Du machst Witze.“
    Sie schüttelte den Kopf, höchst erfreut darüber, den so unerschütterlichen William Hewitt dermaßen aus der Fassung gebracht zu haben, wenngleich sie, um ganz ehrlich zu sein, fast ebenso schockiert war wie er über ihre unglaubliche Dreistigkeit – entsetzt gar, aber dennoch auch ein wenig stolz. Nach all den Jahren, die sie nun schon ehrlich und anständig lebte, konnte „Cornelia Cutpurse“, wie sie einst genannt worden war, doch immer noch ihr fingerfertiges Talent unter Beweis stellen.
    â€žDu hast einen Polizisten

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