Blutrot wie die Wahrheit
Wirbel um diesen Fall machen willst? Die Sache könnte sich wirklich als äuÃerst heikel erweisen. Immerhin gibt es wohl einige sehr einflussreiche Männer, die die ganze Angelegenheit schnellstens unter den Teppich kehren wollen.â
Ganz ruhig und sachlich fragte sie ihn: âWill, warum warst du heute hier?â
Er runzelte die Stirn und hob etwas ratlos die Schultern, als sei die Antwort doch ganz offensichtlich. âWeil ich Virginia Kimball kannte. Es gab einmal eine Zeit, da war ich sehr ⦠nun ja, sehr vernarrt in sie. Sie war für mich der Inbegriff weiblichen Zaubers und romantischer Liebe. Und sie war tatsächlich eine bemerkenswert talentierte Schauspielerin â dafür habe ich sie bewundert. Für sie war ich allerdings nie mehr als ein kurzweiliges Amüsement. Nicht einmal ihre Wange durfte ich küssen und habe sie dennoch nie vergessen.â
âUnd dennoch stört es dich gar nichtâ, meinte Nell, âdass der Mord an ihr wohl nie aufgeklärt werden wird?â
Will bedachte Nell mit einem recht erbosten Blick, um ihr zu verstehen zu geben, dass er sich nicht so leicht manipulieren lieÃ. Und doch hörte sie zumindest eine Andeutung ehrlichen Interesses heraus, als er fragte: âWenn Fiona Gannon sie nicht umgebracht hat, wer soll es dann gewesen sein?â
âIch weià es nichtâ, erwiderte sie. âAber ich weiÃ, dass bei den Ermittlungen nachlässig vorgegangen wurde, und dass das Urteil der Geschworenen eine Farce ist. Die offensichtlichen Fragen hat niemand gestellt, weil niemand die Antworten darauf hören wollte. Ich würde diese Fragen aber gern stellen.â
âWem?â
Nell zuckte die Achseln. âOrville Pratt, Maximilian Thurston ⦠Ich wüsste gern, wie Mrs. Kimball wirklich gewesen ist, mit wem sie Umgang hatte, in welchen Verhältnissen sie lebte. Natürlich möchte ich auch mehr über Fiona Gannon erfahren. Und über die Männer, die Detective Skinner bestochen haben. Ich will wissen, was sie sich zu kaufen glaubten.â
âNell, Nell, Nellâ, stöhnte Will und rieb sich den Nacken. âDiese Männer werden deine Nachforschungen nicht gutheiÃen. Du würdest eine Bedrohung für sie darstellen, und dementsprechend werden sie auch gegen dich vorgehen.â
âMeinst du vielleicht, ich sei nicht zur Diskretion fähig?â
âNatürlich bist du das. Aber derlei Männer haben Mittel und Wege, sehr schnell zu erfahren, wenn jemand seine Nase in ihre Angelegenheiten steckt.â
Aus der Kirche erklang Orgelmusik und einsetzende Betriebsamkeit. Nell wandte sich zur Tür und sah, wie Mrs. Kimballs eiserner Sarkophag von acht Männern den Mittelgang hinunter getragen wurde. Will erhob sich und half Nell auf.
Während sie sich den StraÃenstaub von ihrem Rock klopfte, sagte sie leise: âEs kursieren bereits die ersten Gerüchte über uns.â
âWunderbarâ, befand Will und setzte sich seinen flachen Zylinder wieder auf. âWie langweilig wäre doch das Leben, wenn es keine Gerüchte mehr gäbe!â
âDu hast gut reden. Für mich als Gouvernante wäre schon der Ruch eines Skandals verhängnisvoll. Du solltest vielleicht nicht â¦â Oh, wie sehr ihr das zuwider war! Nell schlug die Augen nieder und rieb mit dem Daumen über den groÃen silbernen Schlüsselring. âDu solltest dich besser nicht mehr mit mir und Gracie im Park treffen.â
Will schaute sie an â sah sie eigentlich zum ersten Mal an diesem Morgen wirklich an. Seine Augen, überschattet von seiner mächtigen Stirn, blickten düster, und das Kinn reckte er auf jene unwirsche Weise vor, wie er es manchmal tat, wenn er sehr ungehalten war. Seine scharf geschnittenen Züge, die so ansprechend und vornehm aussahen, wenn er freundlich gestimmt war, konnten jäh einen finster bedrohlichen Ausdruck annehmen. âDu würdest uns ein solches Opfer abverlangen â nur, um dieses dumme Gerede zum Verstummen zu bringen?â
âWill â¦â
âAber für mich scheint das Opfer auch gröÃer zu sein als für dich. Es bedeutet mir sehr viel, Gracie sehen zu können und â¦â Er blickte beiseite und schüttelte den Kopf. Als er wieder in ihre Richtung sah und merkte, dass die Trauerprozession fast bei ihnen angelangt war, senkte er die Stimme und flüsterte eindringlich: âWillst
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