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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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allen Söhnen seinem Vater, dem flachsblonden August, am ähnlichsten, ganz so wie Will mit seinem schwarzen Haar und dem etwas schlaksigen hohen Wuchs nach Viola kam.
    Die Lakaien kehrten mit tranchierter Ente auf goldgeränderten Tellern zurück sowie einigen Flaschen Madeira und servierten reihum. Emily verzichtete auf die Ente. „Also wirklich, Liebes“, drängte ihre Mutter sie. „Nicht einmal ein bisschen?“
    Sichtlich um Geduld bemüht, sagte Emily: „Mutter, du weißt, dass ich kein Fleisch esse.“
    â€žAber das ist doch keine Fleisch“, befand Winifred. „Das ist Ente.“
    â€žSie sind Vegetarierin?“, erkundigte sich Dr. Foster, als er seinen Teller ebenfalls fortwinkte. „Ich nämlich auch.“
    Emily wurde etwas munterer und schien ihn zum ersten Mal überhaupt zu bemerken. „Wirklich?“
    â€žHängt vielleicht mit den vielen Jahren chirurgischer Arbeit zusammen“, meinte Foster, „aber irgendwann wurde mir der Gedanke unerträglich, Fleisch zu essen.“
    Als Winifred nun so zwischen Emily und Foster hin und her sah, stieg ihre gute Laune ins schier Unermessliche, woraus Nell schloss, dass der berühmte Arzt aus bester Familie wohl noch Junggeselle war. Wie beglückend musste es doch für sie sein, statt einem nun sogar zwei Gentlemen von Stand um ihren Tisch geschart zu haben, die sich gar beide zugleich um die Aufmerksamkeit ihrer noch zu verheiratenden Tochter bemühten!
    â€žVier Jahre“, wiederholte Martin und brachte das Gespräch zurück auf Emilys Aufenthalt in Europa. „Das ist eine sehr lange Zeit, um auf Reisen zu sein.“
    â€žEigentlich hätte es auch nur ein Jahr dauern sollen“, sagte Emily. „Erst London, dann der Kontinent.“
    â€žIch liebe London“, meinte Martin und löffelte sich Johannisbeergelee auf seinen Teller.
    â€žIch fand es ganz entsetzlich.“ Mit einem Blick zu Vera fügte Emily hinzu: „ Wir fanden es beide ganz entsetzlich.“
    â€žFurchtbar trist und grau.“ Vera rieb sich leicht schaudernd die Arme. „Und so entsetzlich feucht. Vielleicht war jener Frühling eine besonders schreckliche Ausnahme, aber …“
    â€žEs war nicht nur das Wetter“, meinte Emily.
    â€žNein, natürlich nicht“, pflichtete ihre Tante ihr rasch bei. „Ich wollte damit auch nicht sagen …“
    â€žEs lag an den bornierten Engländern und ihrem unsinnigen Klassendenken. Das ist jetzt keineswegs persönlich gemeint, Mrs. Hewitt.“
    â€žOh, ich bin da ganz Ihrer Meinung“, erwiderte Viola, die einst auf ihre Weise ebenso ein Freigeist gewesen war wie Emily und sich auch später noch gewisse Prinzipien, soweit eben möglich, zu wahren versucht hatte. „Ich konnte es selbst kaum erwarten, aus England fortzukommen.“
    Emily lehnte sich vor, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, und hielt ihr Madeiraglas mit leichter Hand umfasst. Es war genau die Art liederlicher Haltung, wie jede wohlerzogene junge Dame sie tunlichst zu vermeiden hat, doch statt dabei vulgär zu wirken, strahlte Emily anmutige Gelassenheit aus. „Sobald irgend möglich sind wir nach Italien geflüchtet. Dort hat Tante Vera auch diese russische Dame kennengelernt, die ziemlich viel herumreiste, und wir haben uns ihr dann mehr oder weniger angeschlossen.“
    â€žMadame Blavatsky.“ Vera hätte ebenso gut sagen können: „Die Jungfrau Maria“, so ehrfürchtig war ihr Ton. „Eine wunderbare Dame mit ganz wundersamen Gaben. Sie ist noch recht jung, noch keine vierzig, aber so weise und erleuchtet, dass man meinen möchte, sie hätte schon Hunderte von Jahren gelebt. Aber vielleicht hat sie das ja auch“, fügte Vera mit sinnigem Lächeln hinzu. „Mit ihr zu reisen, war eine außerordentliche Erfahrung.“
    â€žGanz außerordentlich“, murmelte Emily in ihren Madeira. Als sie ihr Glas sinken ließ, bemerkte Nell, dass sie sich mühsam ein Lächeln verkneifen musste.
    â€žVon welcher Art sind denn ihre … Gaben?“, wollte Viola wissen.
    Als Vera in die Runde schaute, kroch ihr vor Aufregung hektische Röte den Hals hinauf.
    â€žKomm schon, Tantchen“, drängte Emily sie. „Ungnädiger als ich können unsere Gäste nicht sein, wahrscheinlich sind sie sogar sehr viel netter. Das sollte auch niemandem schwerfallen“,

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