Blutrot wie die Wahrheit
höflicher Konversation auf Geld zu sprechen gekommen war. âMeine Liebe, ich denke nicht, dass wir â¦â
âZwölftausend Dollarâ, verkündete Cecilia.
Diese erhellende Information wurde mit beeindrucktem Schweigen aufgenommen.
âAm Abend des Balls ist die Waffe aus seinem Arbeitszimmer verschwundenâ, sagte Winifred.
âDas ist sehr bedauerlich, Prattâ, meinte Dr. Foster. âEs ist eine schöne Waffe. Ich kann mich noch daran erinnern, wie Sie sie früher am Abend herumgezeigt hatten.â
âWurde der Diebstahl bei der Polizei angezeigt?â, wollte Mr. Hewitt wissen.
Mr. Pratt schüttelte den Kopf; seine Blutergüsse hatten nun eine blass blutunterlaufene Färbung angenommen. âWie hätte das denn ausgesehen, wenn die Konstabler meine Gäste verhört hätten, als seien sie eine Schar gemeiner Diebe? AuÃerdem war es meine eigene Schuld, dass ich die Waffe erst überall herumgezeigt und sie dann nicht wieder ordentlich weggeschlossen habe.â
âAber alles halb so schlimmâ, verkündete Winifred, âdenn unsere kleine Tragödie hat doch noch einen glücklichen Ausgang gefunden. Gestern, nachdem wir von der Beerdigung nach Hause gekommen waren, bin ich in Mr. Pratts Arbeitszimmer gegangen. Er saà an seinem Schreibtisch, und was glauben Sie, hielt er in der Hand?â
âJacksons Revolver?â, fragte Mr. Hewitt. âDas ist ja unglaublich!â
âIch vermute, dass ich ⦠in der Ballnacht wohl ziemlich angetrunken warâ, sagte Pratt, âund schlichtweg vergessen hatte, in welcher Schublade ich die Waffe eingeschlossen hatte. Man kann sich meinen Verdruss vorstellen, als ich gestern zufällig darauf stieÃ, während ich nach meinem Lieblingszigarren suchte.â
âUnd das, nachdem du vorher soviel herumgeschimpft hattest, von wegen, dass Mrs. Kimball sie gestohlen haben müssteâ, pflichtete seine Frau ihm bei und blickte dabei vielsagend in die Runde. âSie hätten ihn mal hören sollen, was er da alles gesagt hat, nach dem Ball â¦â
âWinifred â¦â, bat Pratt mit leise grollendem Unterton.
âIch weiÃ, ich weiÃ, sie ist eine Mandantin. War eine Mandantin.â Winifred trank ihren Champagner aus und hob das Glas, damit es ihr erneut nachgefüllt wurde.
âMerritt, wo zum Teufel bleibt der nächste Gang?â, herrschte Pratt seinen Butler an.
Der Butler gab den Lakaien ein kurzes Zeichen, die schier über ihre FüÃe stolperten, als sie beflissen aus dem Speisesaal eilten. Eine qualvolle Stille senkte sich über den Tisch. Wie zu erwarten, war es Winifred, die dem Schweigen ein Ende bereitete. âUnd?â, zwitscherte sie. âWerden die Hewitts denn auch diesen Sommer wieder ihre alljährliche Pilgerfahrt nach Cape Cod machen?â
âJa, natürlichâ, erwiderte Viola. âIch lebe praktisch das ganze Jahr auf diese Sommerwochen in Falconwood hin.â
âWann werden Sie denn aufbrechen?â
âMitte Juli, wie immerâ, erwiderte Viola.
Winifred nickte. Viola lächelte.
Dann sahen sich alle wieder schweigend an.
Wills Bruder Martin, diplomatisch wie stets, durchbrach das angespannte Schweigen, indem er zum ersten Mal, seit er am Tisch Platz genommen hatte, etwas sagte. âEmily, seit deinem Aufbruch nach Europa habe ich dich gar nicht mehr zu Gesicht bekommen. Aber deine Reisen scheinen dir wohlbekommen zu sein. Du siehst sehr gut aus.â
âDanke.â
Winifred verfolgte den Wortwechsel mit glänzenden, puppenartigen Knopfaugen, ein selbstzufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.
âWie lange warst du noch mal fort?â, fragte Martin. âVier Jahre müssen es gewesen sein, oder?â
âFast. Aufgebrochen bin ich â sind wir, also Tante Vera und ich â im Mai â65, gleich nach dem Ende des Krieges. Und zurückgekommen sind wir erst diesen Februar, als Vater uns dann auf einmal die finanziellen Zuwendungen â¦â
âEmilyâ, unterbrach Mr. Pratt sie ruhig. âLangweile unsere Gäste doch bitte nicht mit Details.â
Mit friedfertigen blauen Augen, denen indes nichts entging, sah Martin erst zu Pratt, dann wieder zu dessen ältester Tochter. Wenngleich der jüngste der drei verbliebenen Hewitt-Söhne, war Martin doch in vielerlei Hinsicht der weiseste. Mit seinem hellen Haar sah er zudem von
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