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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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Kinderlähmung erkrankt – nur mehr mühsam laufen konnte. Von dem Aufzug kam man dann generell auf die Vor- und Nachteile moderner Errungenschaften zu sprechen, denen Mr. Hewitt zumeist ablehnend gegenüberstand – insbesondere in seinen eigenen vier Wänden. Er würde wohl auch niemals den Aufzug in seinem Haus geduldet haben, hätte Will nicht darauf gedrängt. Und dass Will sich, trotz der Entfremdung von seiner Mutter, überhaupt darum gekümmert hatte, und Mr. Hewitt seinem Rat tatsächlich gefolgt war, ließ für die Hewitts als Familie doch noch hoffen, fand Nell.
    Nachdem die Damen sich in Winifreds rosa- und lavendelfarbenen Salon zurückgezogen hatten, um den Männern in Ruhe Zigarren und Brandy zuzugestehen, kreiste ihr Gesprächsthema bald einzig um Emily Pratts exzentrischen Kleidergeschmack. Emilys Anwesenheit konnte ihre Mutter keineswegs davon abhalten, den Kleidungsstil ihrer ältesten Tochter lang und breit zu erörtern, ihn als „verhuscht“ und „unansehnlich“ zu schelten, und „gewiss dazu angetan, Gentlemen sogleich die Flucht ergreifen zu lassen.“
    Wenig überraschend schlug Cecilia sich in dieser Frage auf die Seite ihrer Mutter. Viola hingegen, die sich für Kunst und alle Dinge, die aus Europa kamen, interessierte und daher auch mit der so genannten „ästhetischen“ Modebewegung vertraut war, ergriff für Emily Partei. Nell enthielt sich schweigend und überlegte sich stattdessen, was wohl Vera darüber denken mochte, die in dem lebhaften Disput einfach nicht zu Wort zu kommen schien, wohl aber einiges zu sagen und zu beklagen gehabt hätte.
    Veras unvorteilhaftes und zudem noch schlecht sitzendes Satinkleid hatte unten am Rocksaum einen Rüschenbesatz, dessen Grünton leicht von der Farbe des Kleides abwich, was vermuten ließ, dass der Rock nachträglich abgeändert worden war – vielleicht von Vera selbst, damit ihr das Kleid in der Länge passte. In Anbetracht dessen, dass Cecilia ihr vorhin erzählt hatte, wie ihre Mutter sie immer dränge, Vera doch einige ihrer unzähligen Schals abzutreten, fragte Nell sich nun, ob das so ungeschickt abgeänderte Kleid vielleicht einmal Winifred gehört hatte, als die noch nicht gar so korpulent gewesen war.
    â€žWas mir einfach nicht in den Kopf will“, sagte Cecilia gerade zu ihrer Schwester, während sie sich großzügig Sherry nachschenkte, „wie kannst du es über dich bringen, das Haus ohne Korsett zu verlassen? Da könntest du genauso gut gleich splitterfasernackt hinausgehen.“
    â€žSchätzchen, ich bitte dich“, schnaufte Winifred, derweil sie sich zwei Schokoladenbonbons aus der Schale vor ihr klaubte. Ihr Zustand der Trunkenheit war mittlerweile auf peinliche Weise offensichtlich, und die falschen Zähne taten noch ein Übriges, um ihre verwaschene Aussprache noch undeutlicher klingen zu lassen.
    â€žOh, Mama, nun sei doch nicht so eine Mimose!“, schalt Cecilia sie. „Du weißt genau, was ich meine und bist sogar meiner Meinung. Gestern erst hast du mir gesagt, wie stolz du seiest, dass ich meine Taille mittlerweile auf neunzehn Inches schnüren kann. Bis zur Hochzeit will ich siebzehn geschafft haben“, erzählte sie den versammelten Damen.
    â€žHaben Sie und Harry denn schon einen Termin bestimmt?“, wollte Viola wissen.
    â€žDas machen wir, sobald ich absehen kann, wie lange ich noch brauche, um die zwei Inches loszuwerden“, erwiderte Cecilia.
    â€žEine lange Verlobung ist ohnehin am besten“, befand Winifred.
    Vera nickte zustimmend. „Ein Jahr mind…“
    â€žZwei“, verkündete Winifred. „Ein Jahr genügt ja längst nicht für die jungen Leute, um sich richtig gut kennenzulernen, Vera. Wenn du jemals einen Verehrer gehabt hättest, wüsstest du das.“
    â€žIn zwei Jahren könnte ich meinen Taillenumfang sogar auf sechzehn Inches bekommen, oder sogar noch weniger“, sinnierte Cecilia.
    â€žHalten Sie das denn für eine gute Idee?“, fragte Viola sie ernstlich besorgt. „Ich habe schon von Damen gehört, deren Leber durch eine zu enge Korsettschnürung Schaden genommen hat.“
    â€žAch, die Leber“, winkte Winifred den Einwand unbekümmert beiseite. „Wozu soll die denn schon gut sein? Ich meine, man braucht sich so eine Leber doch nur mal anzuschauen, wenn man sie vor

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