Blutrot wie die Wahrheit
Aber ich vermute mal, dass die noch immer irgendwo unten im Süden ist.â
Da sie annahm, dass es wohl kaum mehr ein Geheimnis sein konnte, nachdem Mr. Pratt damit vor der gesamten Bostoner Gesellschaft geprahlt hatte, sagte Nell: âTatsächlich ist Mr. Pratts Lefaucheux jene, die einst Stonewall Jackson gehörte.â
âTja, das dachte er, als er sie gekauft hatâ, erwiderte Watts und schob die Rohrbürste durch die Trommelkammern des Revolvers. âDoch da musste ich ihn leider enttäuschen. Ich will ja gar nicht wissen, was er für das Ding bezahlt hat. Irgendein Schwindler hat da auf jeden Fall ein Mordsgeschäft gemacht.â
Nell und Will sahen sich an. âDer Revolver ist eine Fälschung?â, fragte sie.
Und Will wollte wissen: âWann hat Mr. Pratt davon erfahren?â
Watts hielt die Trommel hoch ins Licht des Fensters und spähte mit einem Auge hindurch. âVor ein paar Wochen. Ende April. Weià ich noch genau, weil sie triefnass hereinkam und über das miese Wetter schimpfte, woraufhin ich meinte: âTja, Aprilwetter.ââ
âSie?â, fragten Nell und Will zugleich.
âPratt hatte seine Tochter vorbeigeschickt, weil er selbst furchtbar viel Arbeit hatte oder sonst wie verhindert warâ, erwiderte Watts. âSie sollte mir den Revolver vorbeibringen, damit ich seinen Wert schätzen kann und vielleicht auch einen Interessenten dafür finde, da er sich nämlich entschlossen hatte, ihn zu verkaufen.â
âWelche Tochter?â, fragte Nell.
Watts kratzte sich mit dem Stiel der Bürste am Kinn. âDen Namen habâ ich nicht verstanden. Sie war aber ganz hübsch, wenngleich sie so was Komisches anhatte â¦â Er machte eine wallende Geste seinen massigen Körper hinab.
âEmilyâ, sagte Nell.
âKann sein. Sie meinte, das sei Stonewall Jacksons Lefaucheux, und da habâ ich ihr erzählt, dass mir grad gestern erst ein Kunde damit gekommen wärâ. Er hat gesagt, am Abend vorher sei er auf soâner tollen Feier bei den Pratts gewesen und da hätte er doch tatsächlich den Revolver in Händen gehalten, mit dem General Jackson im Krieg gewesen war. Na ja, sie hat mir den Revolver dann gezeigt, und ich brauchte da nur einen Blick draufwerfen, um ihr sagen zu können, dass ihr Vater das Ding ebenso gut behalten könne, denn mehr als achtzig Dollar würde er dafür nicht bekommen. Es war eine gute Waffe, beste Arbeit und gut erhalten. Aber sie hat definitiv nie Stonewall Jackson gehört.â
âUnd dessen waren Sie sich ganz sicher?â, fragte Will.
Watts tauschte die Bürste gegen einen weichen Lappen aus, mit dem er die Revolvertrommel abrieb. âJacksons Lefaucheux Brevete ist derzeit eine der berühmtesten Waffen der Welt. Ich habe einige Abbildungen davon gesehen und ausführliche Beschreibungen gelesen. Pratts Revolver ähnelt ihr nicht einmal annähernd und hat zudem noch eine völlig andere Seriennummer. Da hat Pratt sich mächtig übers Ohr hauen lassen.â
âWie hat Emily darauf reagiert?â, wollte Nell wissen.
âGar nicht glücklich war sie, die junge Dameâ, erwiderte Watts und setzte den Revolver wieder zusammen. âAls sie ging, kämpfte sie sogar mit den Tränen. Wusste wahrscheinlich nicht, wie sie ihrem alten Herrn die schlechte Nachricht überbringen sollte.â
âUnd haben Sie jemals mit Mr. Pratt persönlich über die Sache gesprochen?â, fragte Will.
âJa, habâ ich, ist noch gar nicht lange her. Sie haben bestimmt von der Schauspielerin gehört, die drüben in Beacon Hill umgebracht worden ist. Virginia Kimball. Tja, und wie der Zufall es will, haben Pratt und ich beide bei der amtlichen Untersuchung ausgesagt â ich, weil ich Waffenexperte der Polizei bin, und Pratt weil er Mrs. Kimballs Anwalt ist. Während einer Pause bin ich dann mal zu ihm gegangen und habâ mich vorgestellt und ihm gesagt, wie leid mir das täte wegen seiner gefälschten Lefaucheux. Und wenn er erwäge, sich noch mehr Sammlerstücke zuzulegen, solle er damit ruhig zu mir kommen und sie mir vorher zeigen. Wenn er dazu zu beschäftigt wärâ, könntâ er ja auch wieder seine Tochter vorbeischicken, so wie letzten Monat, aber er solle auf jeden Fall mal einen Fachmann die Waffe begutachten lassen, bevor er sie kaufe â nicht, dass er wieder übers
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