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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.B. RYAN
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Ohr gehauen würde.“
    Will warf Nell einen kurzen Blick zu, rieb sich den Nacken und fragte dann, wieder an Watts gewandt: „Und wie hat Pratt darauf reagiert?“
    Watts hielt in seiner Arbeit inne und dachte einen Augenblick über seine Antwort nach. „Er war … kann ich schlecht sagen. Ganz ruhig irgendwie, als wär’ er in Gedanken ganz woanders. Er starrte mich an, als ob ich Chinesisch gesprochen hätte. Auf einmal blinzelt er dann kurz, bedankt sich bei mir auf seine komisch steife Art und geht ohne ein weiteres Wort davon. Ich hab’s damals darauf geschoben, dass er wirklich viel um die Ohren hatte, Sie wissen schon, die Untersuchung des Mordes an seiner Mandantin. Jemand wie er, dachte ich mir, ein bekannter und viel beschäftigter Anwalt, dem geht wahrscheinlich immer so einiges durch den Kopf.“
    â€žJa, das denke ich auch“, meinte Will, „dass ihm da so einiges durch den Kopf gegangen ist.“

14. KAPITEL
    â€žGuten Abend … Merritt, nicht wahr?“, grüßte Will, als ihnen gegen Ende des Tages die Tür von Nummer 82, Beacon Street geöffnet wurde. Es war recht spät geworden und dämmerte bereits.
    â€žSo ist es, Sir.“ Der stämmige, sehr gediegen gekleidete Butler verneigte sich, als er Wills Karte entgegennahm. „Guten Abend, Miss Sweeney … Dr. Hewitt.“
    â€žIst Miss Emily Pratt zufällig zu Hause?“, fragte Nell.
    â€žNein, Miss, tut mir leid, aber Miss Emily verbringt den Abend außer Haus.“
    â€žOh.“ Nell und Will waren nämlich allerhand Fragen eingefallen, die sie Emily stellen wollten, während sie vorhin beim Abendessen saßen, das eine sehr angenehme Erholung nach einem langen und anstrengenden Tag gewesen war. Eine einfache, aber ausgezeichnete Mahlzeit im Atwood & Bacon’s, wo Will ihnen gegen ein dezent dem Oberkellner zugestecktes goldenes Fünfdollarstück einen der privaten Räume im oberen Geschoss gesichert hatte. Um dorthin zu gelangen, hatten sie erst einmal durch ein wahres Labyrinth aus knarzenden Treppen und schmalen Korridoren gehen müssen, bis sie schließlich zu einer kleinen Nische fanden, abgelegen und anheimelnd, mit schönen alten Gemälden an den holzgetäfelten Wänden. Es war wunderbar gewesen, mit Will allein zu sein und in Ruhe miteinander zu essen. Danach saß er zurückgelehnt da, die Füße auf die Bank neben sie gelegt, lächelte sie im Kerzenschein an und betrachtete sie auf diese verträumt gebannte Weise, wie er es manchmal tat … Sie hatte sich gewünscht, es würde ewig andauern.
    â€žIst der Rest der Familie denn zu Hause?“, fragte Will nun.
    Merritt schüttelte den Kopf. „Nein, leider auch nicht. Sie sind bei Freunden zu Besuch. Oh, außer Miss Pratt – Miss Vera Pratt. Sie ist … äh … ich glaube, Sie ist im Garten.“
    â€žWas gäbe es Schöneres, an einem so milden Abend“, meinte Nell. „Glauben Sie, sie hätte etwas dagegen, wenn wir kurz nach hinten gingen und sie begrüßten?“
    Aus irgendeinem Grund zögerte Merritt, verneigte sich dann abermals und bat sie, ihm in den hinteren Teil des Hauses zu folgen. Nach ihm traten sie durch die Flügeltür auf die Terrasse hinaus, wo Vera Pratt mit geschlossenen Augen und weit ausgestreckten Armen stand und in einem unmelodischen Singsang vor sich hinsummte. Auch heute trug sie ein Kleid, das sichtlich abgeändert und von einem so unvorteilhaften Grün war, dass sie noch blasser wirkte, als sie es ohnehin war.
    Beiderseits von ihr stand, umringt von Kerzen, je einer der runden gusseisernen Gartentische. Wunderliche Zeichen waren mit Kreide auf den Ziegelboden gekritzelt worden – das größte davon ein sechszackiger Stern von knapp einem halben Meter Durchmesser, in dessen Mitte Vera stand. Um das Hexagramm war eine Schlange gezeichnet, die ihren eigenen Schwanz verschluckte. Weitere Symbole waren ein griechisches Kreuz mit rechtwinkligen, gleich langen Balken, ein ägyptisches Kreuz, dessen oberster Balken durch einen kleinen Kreis ersetzt war, und orientalisch anmutende Schriftzüge.
    Vera stand völlig reglos da, als merke sie überhaupt nicht, dass jemand auf die Terrasse getreten war.
    Nell sah Will an.
    Will sah Merritt an.
    Aus der resigniert nachsichtigen Miene des an sich so unerschütterlichen Butlers schloss Nell, dass dies wohl nicht das erste Mal

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