Blutrot wie die Wahrheit
sich daraufhin ziemlich groÃzügig ein.
âSchade, dass Emily nicht hier istâ, meinte Nell. âWir hätten einiges mit ihr zu besprechen gehabt.â
âAh ja?â, erwiderte Vera und blies in ihren Kaffee, den sie schwarz und ohne Zucker trank.
âIch weià nicht, ob Sie Ihnen erzählt hat, dass Fiona Gannons Onkel ein Freund von mir ist.â
Vera keuchte leise und schlug sich die Hand auf die Brust. âDer arme Mann â eine Mörderin zur Nichte zu haben!â
âDarum geht es ja geradeâ, sagte Nell. âEr glaubt, dass sie unschuldig ist, und nachdem wir uns den Fall mal ein wenig genauer angesehen haben, sind Dr. Hewitt und ich mittlerweile derselben Ansicht.â
Vera sah zwischen ihnen hin und her. âAber wenn Fiona es nicht war, wer dann?â
âDas wissen wir noch nichtâ, erwiderte Will. âWas wir allerdings mit absoluter Gewissheit sagen können, ist, dass eine dritte Person in die Tat verwickelt war. Niemand, der sich den Tatort angesehen hat, kann daran Zweifel hegen. Wir wollen, dass der Fall wieder aufgenommen und Fiona Gannon öffentlich von aller Schuld freigesprochen wird.â
âAh ja.â Vera schwieg und verdaute das Gehörte. âAber ⦠äh ⦠aber was hat das mit Emily zu tun?â
Darauf bedacht, ihre Worte mit äuÃerster Sorgfalt zu wählen, sagte Nell: âNun ja, es sind einige recht seltsame Umstände zutage getreten, die wir ganz gern mit ihr besprechen wollten.â
Vera starrte Nell an, ihr Gesicht im Halbdunkel kreideweiÃ. âSie glauben doch nicht etwa â¦â Sie lachte gequält auf. âSie können doch nicht ernstlich glauben, dass Emily auch nur irgendetwas damit zu tun haben könnte?â
âWir sind uns dessen nicht so sicherâ, entgegnete Will. âDeshalb wollten wir ja mit ihr â¦â
âSie ist ein ganz wunderbares Mädchenâ, unterbrach ihn Vera so aufgebracht, dass ihre dünne Stimme sich fast überschlug. âEigensinnig ist sie, aber von untadeligem Charakter.â
Natürlich würde Vera ihre Nichte verteidigen, dachte Nell. Immerhin war Emily ihre einzige Verbündete hier in diesem Haus, vielleicht die einzige Freundin, die sie überhaupt hatte.
âWussten Sie, dass sie die Lefaucheux ihres Vaters gestohlen hat?â, fragte Will.
Vera sah beiseite und begann, einige der Sachen auf dem Tablett hin und her zu räumen. âIch ⦠sie â¦â
âSie wussten esâ, sagte Nell.
âNâ¦nein. Nein. Ich weià überhaupt nicht, wovon Sie â¦â
âMiss Pratt â¦â, versuchte es Will und beugte sich vertraulich zu ihr vor. âWir wissen mit absoluter Gewissheit, dass sie die Waffe Ende April einem Büchsenmacher zur Schätzung vorgelegt hat. Demnach wird sie es wohl auch gewesen sein, die sie gestohlen hat.â
Vera biss sich auf die Lippen, ihre Augen glänzten. âIch habe Orville versprochen, niemals jemandem davon zu erzählen â¦â
âDas müssen Sie auch nicht.â Nell nahm Veras Hand in die ihre und drückte sie. âWir erzählen es ja Ihnen. Wir wissen es bereits. Sie müssen nur noch ⦠ein paar Einzelheiten ergänzen, uns beispielsweise sagen, weshalb sie den Revolver genommen hat. Wenn sie es nur aus einer Laune heraus getan hat, es also nichts mit dem Mord zu tun hatte, würden Sie ihr â und auch Ihrem Bruder â sogar einen groÃen Gefallen tun, die Sache aufzuklären.â
Einen Augenblick schien Vera tief in Gedanken versunken, dann nickte sie. âJa. Vielleicht ⦠vielleicht haben Sie recht. Wahrscheinlich kann es Emily ohnehin nichts anhaben, wenn ich es Ihnen erzähle â ganz gleich, wer davon erfährt, Orville würde niemals Anzeige erstatten ⦠wegen des Revolvers, meine ich. Einen solchen Skandal wollte er nicht riskieren.â
âGanz gewiss nichtâ, meinte Nell.
âDer Revolver ⦠Das war nur so eine mädchenhafte Laune â¦â Vera wedelte mit den Händen herum, als helfe ihr das, die richtigen Worte zu finden. âSie wissen schon â ihrem Vater eins auswischen, weil er ihr die finanziellen Zuwendungen gestrichen hatte und sie ihre Reise abbrechen musste. Natürlich war es ein waghalsiges Unterfangen, und das habe ich ihr auch gesagt, aber sie hat eben ihren eigenen Kopf, und Orville ⦠na ja. Verstehen
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