Blutrot
auf dem Tisch lag. Als Ludlow der Geruch in die Nase zog, fragte er sich, ob der Kamin eigentlich jemals benutzt wurde. In dem Zimmer roch es nicht die Spur nach verkohltem Holz, nur nach verbranntem Tabak.
»Hören Sie, Ludlow«, sagte McCormack. »Sie brauchen mir hier keine Moralpredigt zu halten. Es sind meine Söhne, und ich behandele sie so, wie ich es für richtig halte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Meinetwegen verklagen Sie mich. Es mag mich hier und da ein wenig in Verlegenheit bringen, aber nicht sehr, das verspreche ich Ihnen. Denn gegen mich können Sie gar nicht gewinnen. Auch das verspreche ich Ihnen. Selbst wenn Sie es könnten, Ludlow, was würde es Ihnen bringen? Den Preis des Hundes. Damit können Sie sich aus dem verdammten Tierheim einen neuen Köter holen. Und selbst wenn Sie gewännen, was nicht geschehen wird, würde es mich nicht die Bohne interessieren. Begreifen Sie das?«
Ludlow nickte. »Ja, das tue ich.«
»Dann ist es ja gut. Kommen Sie nicht mehr her. Und hören Sie auf, hinter meinen Söhnen herzuschnüffeln, sonst haben Sie den Sheriff schneller am Hals, als Sie es sich vorstellen können. So, und jetzt
wünsche ich Ihnen einen guten Tag. Sie wissen ja, wo die Tür ist.«
Als Ludlow in die Eingangshalle hinaustrat, sah er auf halber Treppe eine Frau stehen. Er hielt inne und schaute sie an. Er nahm an, dass es McCormacks Frau war, die Mutter der beiden Jungen. Sie musste das Gespräch zumindest teilweise mit angehört haben, denn sie starrte ihn an, als sei er ein Dieb, der sich mit etwas Kostbarem davonstahl, das ihr gehörte, und ihr damit das Herz brach. Sie musste früher sehr schön gewesen sein, dachte Ludlow, aber inzwischen war nicht mehr viel davon übrig, trotz der teuren Kleider und des Schmucks. Er dachte an die Frau im Lincoln, die vorhin an seinem Laden gehalten hatte. Und während er auf die Haustür zuging, fragte er sich, ob ihm Mrs. McCormack nicht leidtun musste.
16
Nach Marys und Tims Tod hatte es Zeiten gegeben, in denen er sich Abend für Abend in den Schlaf trank. Eine ganze Weile war das so gegangen.
Morgens war er spät aufgestanden, obwohl es der Hund gewöhnt war, in aller Frühe sein Futter zu bekommen. Das Tier schien einen inneren Wecker zu haben, der sich zu Ludlows Leidwesen nicht abstellen ließ. Der Hund entwickelte allerlei Strategien, um ihn aus dem Schlaf zu reißen. Ganz gleich, ob sein Besitzer einen Brummschädel hatte oder nicht. Und Reds Strategien wurden mit zunehmender Dauer immer beharrlicher. Als Erstes leckte er ihm mit der feuchtwarmen Zunge übers Gesicht, was meistens schon ausreichte. Wenn Ludlow sich allerdings umdrehte und weiterschlief, schob der Hund den Kopf unter die Bettdecke und stupste ihm die kalte Nase in den Nacken.
Genügte selbst das nicht, um seinen Besitzer zum Aufstehen zu bewegen, sprang er mit allen vieren aufs Bett und fiel über ihn her.
Manchmal hatte Ludlow grässliche Kopfschmerzen oder war mitten in einem Traum, aus dem er nicht erwachen wollte, nur um einen weiteren leeren Tag zu erleben. Dann verscheuchte er den Hund mit einem harten Schlag an den Kopf. Wenn er schließlich aufstand, war er gleichermaßen wütend auf den Hund wie auf sich selbst. Red duckte sich dann immer vor ihm und fasste erst wieder Zutrauen, wenn Ludlows Wut verflogen war. Aber das dauerte nie besonders lange. Denn Ludlow konnte Red gar nicht für längere Zeit böse sein. Es steckte kein Funken Bosheit in dem Hund. Er hatte Hunger, das war alles. Und anders als sein Besitzer freute sich das Tier auf den Tag, der vor ihm lag.
Im Nachhinein glaubte Ludlow sogar, dass der Hund ihn mit seiner Beharrlichkeit und Sturheit ins Leben zurückgeholt hatte. Red hatte verhindert, dass er sich dem Saufen und seinem Selbstmitleid ergab. Schließlich hatte er irgendwann die Kurve gekriegt. Es war eine Frage der Fairness dem Hund gegenüber. Außerdem hatte es Ludlow in seinem Stolz beleidigt, dass ein Hund lebenstüchtiger sein sollte als er selbst. Er hörte auf zu trinken und sich allzu sehr auf Bill Prine zu verlassen und ging wieder regelmäßig arbeiten. An den Wochenenden nahm er Red zum Fischen mit oder sie fuhren in die Berge. Manchmal hatten sie auch das getan, was er jetzt hier in Ogunquit zum ersten Mal allein ohne seinen Hund tat.
Sein Vater, Avery Allan Ludlow senior, wurde in vier Monaten neunzig. Er hatte eine Angioplastik und zwei Bypass-Operationen hinter sich, bestand aber immer noch auf seiner Schachtel Zigaretten
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