Blutrote Kuesse
die Schule ist aus, Schatz. Ich will schlafen. Du hältst den Schnabel. Später, wenn ich ausgeschlafen habe, beschäftigen wir uns mit den Detailfragen, das ist Teil deiner Ausbildung. Gönn mir bis dahin ein wenig Ruhe.«
»Zeig mir, wie man hier rauskommt, und du kannst schlafen, so lange du willst.« Wieder sah ich mich vergeblich nach einem Ausgang um.
Er schnaubte verächtlich. »Na klar. Soll ich dir auch noch deine Waffen holen, damit du mir im Schlaf das Herz durchbohren kannst? Ganz bestimmt nicht. Du bleibst hier, bis ich dich rauslasse. Fluchtversuche kannst du dir sparen, du hättest sowieso keine Chance. Jetzt solltest du dich etwas ausruhen, denn wenn du mich noch länger wach hältst, will ich ein Frühstück. Alles klar?« Noch einmal schloss er die Augen, diesmal ganz entschieden.
»Ich schlafe nicht neben dir.« Entrüstung lag in meiner Stimme.
Im Bett wurde kurz herumgefuhrwerkt, dann traf mich ein Laken im Gesicht.
»Dann schlaf auf dem Boden. Du klaust mir sowieso immer die Bettdecke.«
Mangels Alternative legte ich mich auf den eisigen Felsboden. Das Laken bot kaum Schutz vor der Kälte, geschweige denn vor dem harten Untergrund. In dem vergeblichen Versuch, eine weniger unbequeme Stelle zu finden, wälzte ich mich herum, bis ich es, den Kopf auf die Arme gelegt, schließlich aufgab. Immerhin besser, als sich mit dieser Kreatur ein Bett zu teilen. Eher hätte ich mich auf ein Nagelbrett gelegt. Die Stille in der Höhle war irgendwie beruhigend. Eins stand fest, Vampire schnarchten nicht. Nach einiger Zeit schlief ich ein.
Ein paar Stunden mochten vergangen sein, mir kamen sie nur wie Minuten vor. Eine nicht gerade sanfte Hand rüttelte mich an den Schultern, und diese schreckliche Stimme dröhnte mir in den Ohren.
»Raus aus den Federn. Wir haben viel zu tun.« Als ich aufstand und mich streckte, begehrten meine Knochen mit hörbarem Knacken auf. Bei dem Geräusch grinste er.
»Das ist die gerechte Strafe dafür, dass du versucht hast, mich umzubringen. Der Letzte, der es mit mir aufnehmen wollte, hatte hinterher mehr als nur einen steifen Nacken. Du hast wirklich Glück, dass ich eine Verwendung für dich habe, sonst würden inzwischen nur noch meine rosigen Wangen an dich erinnern.«
»Ich bin schon ein echter Glückspilz.« Ich fühlte eher Verbitterung, gefangen in einer Höhle mit einem mordlustigen Vampir.
Er drohte mir mit dem Finger. »Nicht traurig sein. Du kriegst gleich eine erstklassige Ausbildung in Nosferatu. Glaub mir, das ist nicht vielen Menschen vergönnt. Aber du bist ja eigentlich auch gar kein richtiger Mensch.«
»Sag das nicht andauernd. Ich bin mehr Mensch als... Dings.«
»Na ja, wie sich das genau verteilt, werden wir gleich herausfinden. Geh von der Wand weg.«
Ich gehorchte, in dem kleinen Raum hatte ich kaum eine andere Wahl, denn zu nahe kommen wollte ich ihm nicht. Er stand vor der Steinwand, an der ich geschlafen hatte, und packte den Fels an beiden Seiten. Mühelos hob er die Steinplatte an und setzte sie seitlich ab. Dahinter tat sich eine Öffnung auf. So waren wir also in diese Gruft gekommen.
»Komm mit«, rief er mir im Hinausgehen über die Schulter zu. »Nicht trödeln.«
Als ich mich durch die enge Öffnung zwängte, erinnerte mich ein plötzlicher Blasendruck daran, dass meine Organe noch ganz menschlich funktionierten.
»Ah... ähem, hier gibt es nicht zufällig...« Zur Hölle mit Takt und Feingefühl. »Gibt es hier eine Toilette? Bei einem von uns sind die Nieren noch intakt.«
Er blieb abrupt stehen und musterte mich. Feine Lichtstrahlen drangen durch die Kalksteindecke und überzogen das Höhleninnere mit einem gitterartigen Muster. Also war es Tag.
»Meinst du etwa, das hier ist ein beschissenes Hotel? Was willst du als Nächstes, ein Bidet?«
Verärgert und peinlich berührt stieß ich hervor: »Wenn du keine Sauerei willst, solltest du eine Alternative anzubieten haben, und zwar schnell.«
Er stieß einen Laut aus, der äußerst stark an einen Seufzer erinnerte. »Mir nach. Aber nicht, dass du mir stolperst oder dir den Fuß vertrittst, ich werde dich bestimmt nicht tragen. Mal sehen, was sich machen lässt.«
Während ich hinter ihm herkletterte, tröstete ich mich, indem ich mir in allen Details ausmalte, wie er sich hilflos unter meinem Pflock wand. Ich sah es so deutlich vor mir, dass ich beinahe lächelte, als er eine Richtung einschlug, aus der man Wasser rauschen hörte.
»Da.« Er deutete auf einige Felsbrocken,
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