Blutrote Kuesse
Es flog mit unglaublicher Geschwindigkeit und bohrte sich ihm in die Brust, aber zu hoch, zu hoch.
»Verdammte Scheiße, Mädel, das tut weh!«, knurrte er überrascht, als er es sich aus der Brust riss.
Blut strömte aus der Wunde und versiegte dann so plötzlich, als habe man einen Hahn zugedreht. Anders als gemeinhin angenommen hatten Vampire rotes Blut. Mit Schrecken wurde mir bewusst, dass mir nur noch eine Waffe geblieben war und ich ihn nicht einmal hatte schwächen können. Ich gab mir einen Ruck und sprang auf, meine Schritte waren schwer.
»Hast du genug?« Er trat mir gegenüber und holte einmal kurz Luft. Ich stutzte, denn ich hatte noch keinen Vampir atmen sehen. Mein eigener Atem ging heftig.
Schweiß tropfte mir von der Stirn.
»Noch nicht.«
Wieder hatte ich es kaum wahrgenommen, da war er schon über mir. Ich wehrte Schlag um Schlag ab und versuchte dabei, ihn meinerseits zu treffen, doch er war zu schnell. Seine Faustschläge hagelten mit brutaler Gewalt auf mich nieder. Verzweifelt trieb ich meinen Pflock in alle erreichbaren Körperteile, verfehlte aber jedes Mal sein Herz. Nach etwa zehn Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, ging ich das letzte Mal zu Boden. Bewegungsunfähig starrte ich ihn unter geschwollenen Lidern hervor an. Jetzt brauche ich mir keine Sorgen über seine Bedingungen zu machen, dachte ich matt. Ich würde an meinen Verletzungen sterben.
Drohend stand er über mir. Alles um mich herum nahm ich wie durch einen roten Schleier und immer undeutlicher wahr.
»Hast du jetzt genug?«
Ich konnte nicht sprechen, nicht nicken, nicht denken. Als Antwort auf seine Frage wurde ich bewusstlos. Zu einer anderen Reaktion war ich nicht fähig.
Unter mir war etwas Weiches. Ich trieb dahin, trieb dahin auf einer Wolke und hüllte mich ein in ihren Flausch. Ich kuschelte mich weiter hinein, als die Wolke mich anmaulte.
»Wenn du mir die Decke klaust, kannst du auf dem Boden pennen!«
Hä? Seit wann waren Wolken gereizt und sprachen mit britischem Akzent?
Als ich die Augen öffnete, sah ich zu meinem Entsetzen, dass ich mit dem Vampir im Bett lag. Und ja, ich hatte offensichtlich die ganze Bettdecke an mich gerissen.
Wie von der Tarantel gestochen fuhr ich auf, woraufhin ich mir sofort den Kopf an der niedrigen Höhlendecke stieß.
»Auaaa...« Die schmerzende Stelle reibend, sah ich mich voll Angst und Abscheu um. Wie war ich hierhergeraten? Warum lag ich nicht im Koma, nachdem ich so übel zugerichtet worden war? Eigentlich ging es mir... gut. Abgesehen von der leichten Gehirnerschütterung, die ich mir wohl gerade eingehandelt hatte.
Ich wich so weit wie möglich in eine Ecke zurück. In dem kleinen Kalksteingelass gab es keinen erkennbaren Ausgang. »Warum bin ich nicht im Krankenhaus?«
»Ich habe dich gesund gemacht«, antwortete er einfach, als wäre das die normalste Sache der Welt.
Schreckensstarr fühlte ich meinen Puls. Gott, er hatte mich doch nicht etwa in einen Vampir verwandelt, oder? Nein, mein Herz hämmerte.
»Wie das?«
»Mit Blut, natürlich. Wie sonst?«
Auf die Ellbogen zurückgelehnt warf er mir einen ungeduldigen und müden Blick zu. Soweit ich sehen konnte, hatte er sich ein frisches Hemd angezogen. Was unter dem Laken war, wollte ich gar nicht wissen.
»Sag mir, was du mir angetan hast!«
Auf meine hysterische Reaktion hin verdrehte er die Augen, schüttelte sich das Kissen auf und drückte es an sich. Die Geste wirkte so menschlich, dass sie schon wieder unheimlich war. Wer hätte gedacht, dass Vampire Wert darauf legten, dass ihre Kissen aufgeschüttelt waren?
»Ich hab dir ein paar Tropfen von meinem Blut verabreicht. Dachte mir, du brauchst nicht viel, weil du ja eine Halbvampirin bist. Schnelle Selbstheilungskräfte sind dir vermutlich angeboren, aber du warst ja ziemlich mitgenommen. Das hast du dir natürlich selbst zuzuschreiben, du hast den blöden Zweikampf ja vorgeschlagen. Und jetzt entschuldige mich. Es ist schon Tag, und ich bin völlig erledigt. Für mich ist ja nicht mal was zu essen dabei rausgesprungen.«
»Vampirblut hat Heilkräfte!«
Er antwortete mit geschlossenen Augen. »Das hast du nicht gewusst? Kreuzdonnerwetter, du weißt ja überhaupt nichts über deine eigene Art.«
»Ich gehöre nicht deiner Art an.«
Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Wie du meinst, Kätzchen.«
»Könnte ich durch zu viel Blut zur Vampirin werden? Wie viel ist zu viel?«
Er öffnete die Augen und funkelte mich böse an. »Hör mal,
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