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Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jackson Pearce
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erbärmlich.
    Als ich mich durch die Hintertür ins Haus schleiche, bin ich erleichtert, die dumpfen Schläge Scarletts auf dem Sandsack in unserem Trainingsraum im Keller zu hören. Ich eile nach oben, schäle mich aus meinen nassen und blutigen Klamotten. Sobald ich mit Klette als Wache auf dem Badezimmervorleger in der Dusche stehe, kommen mir die Tränen. Leise, erstickte Schluchzer der Unzulänglichkeit. Ich muss Scarlett von dem Fenris erzählen, der mir entkommen ist. Ich muss sie wegen der Busfahrerin warnen und vor den Sozialarbeitern, die vielleicht in ein paar Tagen an unsere Tür klopfen werden. Ich muss es ihr sagen, und dann wird sie mich ausschimpfen und darauf bestehen, den anderen Fenris sofort zu jagen. Ich bin wütend, weil ich vollkommen selbstsüchtig weiß, dass damit der Filmabend, für den ich die Kekse gebacken und die Filme ausgesucht habe, gestorben ist. Gott, ich bin so bescheuert.
    Allerdings kann ich es hinauszögern. Ich kann damit warten, es ihr zu erzählen. Wir können heute Abend unseren Film schauen, ich kann sie aufheitern, und danach gehen wir los und jagen zusammen. So wie immer. Ihr Ärger wird vergehen, wie er es immer tut. Wenn ein Sozialarbeiter auftaucht, können wir es vertuschen, Scarlett kann behaupten, unsere Mutter wäre da … es wird funktionieren.
    »Rosie!«, schreit Scarlett. In ihrer Stimme schwingen Angst und Wut mit. Ich beiße die Zähne zusammen. Meine Schwester wirft die Badezimmertür auf, ein verschwommener Schatten hinter dem Duschvorhang. »Was ist passiert? Bist du in Ordnung?« Ihre Stimme ist dunkel genug, um einen Wolf einzuschüchtern.
    »Ich … Scarlett«, sage ich und stelle das Wasser ab. Seufzend greife ich nach einem Handtuch.
    Eine Stimme lässt mich in der Bewegung innehalten. »Scarlett, komm schon, es war ein Zufall …«
    Silas kommt um die Ecke. Ich erstarre, den Arm ausgestreckt und immer noch einige Zentimeter vom Handtuch entfernt, nur halb bedeckt von dem Duschvorhang. Sein Mund steht offen, er wird rot und wirbelt sofort herum, den Blick nun auf den Gang gerichtet.
    »Entschuldigung, Rosie.« Er steckt die Hände in die Taschen und wippt auf den Fersen.
    Mein Gesicht verfärbt sich leuchtend rot. Eine Gänsehaut überzieht meine Arme. Weil mir kalt ist. Weil Silas hier ist. Weil er mich angesehen hat.
    »Rosie, was ist passiert?«, fragt Scarlett noch einmal mit zusammengebissenen Zähnen und ignoriert einfach die Tatsache, dass ich noch nackt bin und Silas dabeisteht. Sie nimmt ein Handtuch aus dem Regal und wirft es mir in die ausgestreckte Hand.
    »Ich habe Silas Kekse gebracht«, murmele ich und schlinge mir hastig das Handtuch um den Leib. Das Wasserrinnsal, das mir aus den Haaren den Rücken hinabläuft, als der Nebel sich zu lichten beginnt und den Raum nass und schwül zurücklässt, ignoriere ich einfach. Ich starre einen Moment auf Silas’ Rücken und sehe dann Scarlett an. »Ich habe sie dort gelassen, als zwei Wölfe mich angegriffen haben. Sie waren zusammen auf der Pirsch, glaube ich. Den älteren habe ich ausgeschaltet, aber …«
    »Los, weiter.« Ihre Stimme ist hart wie Eisen.
    Silas tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen.
    »Der jüngere ist davongekommen.« Meine Schuldgefühle schlagen über mir zusammen.
    Ihr Kinn spannt sich. »Davongekommen?«, sagt sie leise, gefährlich. »Du konntest ihm nicht hinterher?«
    »Es ging nicht. Er ist weggelaufen, weil der Bus die Straße hochkam.«
    »Du hast gekämpft … Der Bus? Ein Bus voller Leute?« Meine Schwester ist außer sich. »Haben sie dich gesehen?«
    »Ich …« Meine Augen füllen sich mit Tränen, und ich bin sehr dankbar, dass Silas mir immer noch den Rücken zuwendet. »Ja. Die Fahrerin hat mich gesehen. Genau wie Silas – er kam gerade aus der Stadt zurück und fuhr hinter dem Bus. Aber der alte Wolf hat sich ziemlich schnell in Schatten aufgelöst, und ich rannte in das hohe Gras. Sie sind mir nicht hinterhergekommen.«
    »Die Fahrerin ist nicht mal aus dem Bus ausgestiegen«, unterbricht Silas mich, ohne sich zu uns umzudrehen. »Sie ist einfach weitergefahren. Ich glaube, sie hat gehofft, dass sie sich das alles nur eingebildet hat.«
    »Warte mal, Moment«, sagt Scarlett und schiebt sich an Silas vorbei in die Diele und läuft dort auf und ab. »Du hast also einen Fenris entkommen lassen und bist dabei beobachtet worden?
Und
du bist alleine auf die Jagd gegangen? Hast du überhaupt eine Ahnung, was dir alles hätte zustoßen können?«

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