Blutrote Schwestern
und streckt dem Polizisten, der gerade meine Aussage aufnimmt, die Hand entgegen.
»Ja, Mr. Culler. Könnte ich vielleicht in ein paar Minuten mit Ihnen reden? Ihr Sohn ist auf dem Weg ins Grady-Krankenhaus …«
»Natürlich«, sagt Mr. Culler. Er mustert mich eingehend und dirigiert mich dann mit einem Nicken zur Seite, fort von der Menge. »Hat mein dämlicher Sohn Sie verletzt? Ich kann Ihnen einen Scheck ausstellen«, sagt er leise und zieht ein Scheckbuch aus seiner Innentasche. »Wie ist Ihr Name?«
»Ich, äh …« Ich schüttele den Kopf und kann nicht glauben, was ich da höre. »Rosie March. Aber es ist alles okay. Mir geht es gut.«
»Unsinn«, antwortet Mr. Culler. »Er ist krank, wissen Sie. Schon seit ungefähr einem Jahr. Der Junge kann nichts dafür.« Mr. Culler sieht dem Krankenwagen nach, als dieser davonfährt, und dreht sich dann wieder zu mir. »Wir haben es mit einer Einweisung versucht, aber dadurch wurde es nur noch schlimmer. Also wird er jetzt rund um die Uhr betreut. Vermutlich hat er seinen Betreuer abgehängt …« Mr. Culler unterschreibt den Scheck mit einer fließenden Handbewegung und schiebt ihn mir mit einer Schnelligkeit in die Hand, die zeigt, dass er derlei Probleme schon ziemlich oft auf diese Art gelöst hat. »Hat er Ihnen auch diese dämliche Geschichte erzählt? Er sei der jüngste von sieben Söhnen?«
Ich nicke.
Mr. Culler verdreht die Augen. »Ja, das erzählt er allen. Das ist Blödsinn. Ich bin der jüngste von sieben Söhnen, und ich bin nicht verrückt. Es ist, als hätte man ein 29-jähriges Kleinkind.«
»Ich kann kaum glauben, dass Sie es geschafft haben, dass er … menschlich bleibt.« Die letzten beiden Worte entschlüpfen mir eher aus Versehen, aber Mr. Culler zuckt nur mit den Schultern.
»Es hat einer Menge Geld und viel Fürsorge bedurft. Aber sehen Sie mal, Sie haben Ihr Geld. Glauben Sie nicht, ich hätte keinen Anwalt, der es mit Ihnen aufnimmt …«
»Oh, äh, nein«, sage ich schnell. »Alles kein Problem.«
»In Ordnung. Also dann. Sie wollten mit mir sprechen?« Mr. Culler dreht sich zu dem Polizisten um.
Während die beiden miteinander beschäftigt sind, schleiche ich mich aus der Tür und lasse die Kühlpacks am Eingang fallen. Das Sonnenlicht blendet mich, und in meinem Kopf pocht es immer noch. Ich reibe mir sacht die Stirn, während ich den Scheck auseinanderfalte. Leise fluche ich, als ich den Betrag sehe: 2000 Dollar.
2000
Dollar? Weil ich zu Boden geworfen wurde? Ich nehme mal an, vor Gericht würde es ihn mehr kosten. Mr. Culler muss klar sein, dass ich bei der Aktion hätte getötet werden können. Ich frage mich, ob andere Mädchen zu Tode gekommen sind. Einen Fenris einzusperren und zu versuchen, ihn in der Familie zu behalten … Ich frage mich, ob er deshalb seine menschliche Form beibehalten konnte, als der Wolf seinen Geist übernommen hatte. Möglicherweise durch intensive Übung. Weiß sein Vater überhaupt, was er ist? Als ich die letzten paar Blocks auf unser Apartment zutrotte, seufze ich und knülle den Scheck zurück in meine Tasche.
»Wo warst du?«, fragt Scarlett, als ich durch die Tür stolpere. Ihre Augen gleiten hinab zu den Blutstropfen auf meinem Oberteil.
Silas kommt hinter der Kühlschranktür hervor. Seine Augen weiten sich, und er macht einen Schritt auf mich zu. Ich beiße mir auf die Lippen, widerstehe dem Drang, auf ihn zuzugehen und mich von ihm in die Arme nehmen zu lassen.
Scarlett steht von der Couch auf, besorgt. »Rosie? Geht es dir gut?«
»Ja. Ja, mir geht es gut. Ich hab einen Schlag auf den Kopf bekommen, das ist alles. Oh, und ich hab 2000 Dollar verdient.«
Silas und Scarlett wechseln besorgte Blicke.
Ich sehe, wie Silas einen schnellen Schritt macht, als wolle er auf mich zurennen, aber er beherrscht sich.
»Sie hat eine Gehirnerschütterung«, sagt er.
Scarlett nickt, und sie bringen mich zur Couch.
»Nein! Nein! Ich meine, vielleicht. Aber seht mal.« Ich ziehe den Scheck aus der Tasche und drücke ihn Scarlett in die Hand. Sie faltet ihn auseinander, und ihre Augen werden groß. Dann gibt sie ihn Silas, der nicht weniger als vier Mal von dem Scheck zu mir und wieder zurück blickt.
»Okay. Also, wie hast du
zwei Riesen
gemacht, Rosie?«, fragt Scarlett.
Ich gehe die paar Schritte zur Couch und lasse mich darauf fallen. Scarlett und Silas bauen sich vor mir auf. »In Ordnung. Nun, ich war … ähm …« Ich seufze und sehe meine Schwester an. Endlich dreht sich
Weitere Kostenlose Bücher